Kather Augenstein FRAND Datenbank
Hier haben wir für Sie die zentralen Entscheidungen der deutschen Gerichte zu standardessenziellen Patenten zusammengestellt. Diese Entscheidungen haben wir für Sie auf die wesentlichen Stellen gekürzt und stellen sie Ihnen zum Download zur Verfügung. Die deutsche Patentgerichtsbarkeit wird auch über die Grenzen Deutschlands geschätzt. Darum möchten wir auch unseren englischsprachigen Mandanten und Kollegen die Möglichkeit geben, die deutschen Entscheidungen zur Kenntnis zu nehmen. Dementsprechend haben wir uns für Sie die Zeit genommen, diese Entscheidungen in die englische Sprache zu übersetzen.
Inhaltlich ähnliche oder zweitinstanzlich behandelte Entscheidungen haben wir nicht übersetzt. Um Ihnen trotzdem einen Überblick über die uns bekannten Entscheidungen deutscher Gerichte zu ermöglichen, finden Sie eine Liste der nicht übersetzten Entscheidungen am Ende dieser Seite.
Landgericht Düsseldorf
LG Düsseldorf, 26. November 2020, Az. 4c O 17/19
- Der EuGH soll klären, ob der SEP-Inhaber, der eine FRAND-Erklärung abgegeben hat, zur vorrangigen Lizenzierung von Zulieferern verpflichtet ist.
- Außerdem bittet das Landgericht um Klärung,
- ob vorgerichtlich versäumte Obliegenheiten der Parteien im laufenden Verletzungsprozess nachgeholt werden können, und
- welche Anforderungen an die ernsthafte Lizenzierungsbitte des SEP-Benutzers zu stellen sind.
LG Düsseldorf, 24. April 2019, Az. 4c O 24/19
- Die Beschlussverfügung ist für die Entwicklung der FRAND-Litigation deshalb bedeutsam, weil sie belegt, wie Geheimnisschutz in deutschen Verletzungsprozessen aus SEP möglich ist.
- Die Antragsgegner hatten mit der Antragstellerin, der SEP-Inhaberin, eine Geheimhaltungsvereinbarung nach dem Muster des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.2016, Az. I-2 U 31/16, abgeschlossen und sich verpflichtet, die als streng vertraulich gekennzeichneten Unterlagen ausschließlich zu Prozesszwecken im FRAND-Verfahren zu verwenden.
- Als die Antragsgegnerinnen ankündigten, dass sie von dem Geheimhaltungsvertrag umfasste Informationen kurzfristig in Parallelverfahren, die nicht standardessenzielle Patente betrafen, einführen werde, untersagte ihnen die 4c. Zivilkammer dies im Wege der ex parte Verfügung, auf der Grundlage eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs aus der Geheimhaltungsvereinbarung und wegen Erstbegehungsgefahr.
LG Düsseldorf, 09. November 2018, Az. 4a O 15/17 – Fraunhofer Gesellschaft (MPEG LA) ./. ZTE
- Angebot eines Standardlizenzvertrags nicht durch Verfügbarkeit auf Webseite, sondern erst mit Zusendung
- Angebot von Schutzrechten eines Patentpools regelmäßig deshalb fair und reasonable, da für Lizenzsucher Kosten für einzelne Lizenzierung gespart wird
- Wenn konzernumfassende Lizenzen üblich sind, dann kann Gegenangebot einer 100%-igen Tochter nicht FRAND gemäß sein, wenn Konzernmutter konzernumfassende Lizenz ablehnt
LG Düsseldorf, 09. November 2018, Az. 4a O 17/17 – Tagivan II ./. Huawei
- Dies ist der Fall, wenn die Stücklizenz den zu erwartenden Schwankungen Rechnung trägt und nach Vertrag der Lizenzgeber das Risiko des Anstiegs der Poolpatente und der Lizenznehmer das Risiko einer Minimierung derselben trägt.
- Das Anbieten einer Lizenz in einem Patentpool begründet für sich allein keinen Vorwurf einer missbräuchlichen Unangemessenheit, dies ist schon deshalb fair and reasonable, weil der Lizenzsucher damit der Notwendigkeit enthoben wird, bei jedem einzelnen Schutzrechtsinhaber um eine Lizenz nachzusuchen.
- Ein Patentpool ist nicht deshalb kartellrechtswidrig zusammengesetzt, weil er standardessentielle und nicht-standardessentielle Patente enthält. Eine unangemessene Behandlung kommt aber in Betracht, wenn in einem Pool planmäßig Schutzrechte Eingang finden, die nicht notwendig für die Einhaltung des Standards sind.
LG Düsseldorf, 11. Juli 2018, Az. 4c O 81/17
- Die ersten beiden Schritte wurden erfüllt: Verletzungsanzeige und Erklärung der Lizenzbereitschaft
- Gemäß den verfahrensrechtlichen Verspätungsvorschriften kann der Patentinhaber versäumte Handlungen nachholen
- Der Patentinhaber diskriminiert die Beklagte, indem er Verletzungsklagen gegen sie und zwei Hauptkonkurrenten erhebt, während er andere Konkurrenten nicht verklagt (selektive Rechtsdurchsetzung)
- Der Patentinhaber muss nicht gleichzeit eine große Anzahl von Unternehmen verklagen, aber die verschonten Unternehmen jedenfalls um den Abschluss eines Lizenzvertrags ersuchen
- Frage der Erschöpfung nicht ausreichend in Lizenzangebot behandelt; Lizenzangebote müssen einem möglichen Erschöpfungseinwand grundsätzlich Rechnung tragen, um FRAND zu sein
LG Düsseldorf, 13. Juli 2017, Az. 4a O 16/16
- Zur Möglichkeit, versäumte Handlungen nachzuholen; keine Notwendigkeit vorliegend zu entscheiden, da die Angebote des Klägers jedenfalls zu spät waren
- Über die Anforderungen an die Angaben zur Art und Weise der Lizenzberechnung, insbesondere in welchem Umfang der Kläger Nachweise über vergleichbare Lizenzverträge erbringen muss
LG Düsseldorf, 31. März 2016, Az. 4a O 73/14 – Saint Lawrence ./. Vodafone
- Parallelverfahren zu LG Düsseldorf, Az. 4a O 126/14
- Unterscheidung zwischen Übergangs- und Nicht-Übergangsfällen
- FRAND-Verpflichtungen können in Übergangsfällen nachgeholt werden
- Verletzer muss Lizenzbereitschaft ausreichend schnell erklären; je nach Einzelfall (entsprechend dem Detaillierungsgrad); hier 5 Monate deutlich zu lang
- Andere Lizenzvereinbarungen können zur Begründung der FRAND-Gemäßheit herangezogen werden, wenn sie eine etablierte Lizenzierungspraxis aufzeigen
- Portfolio-Lizenzierung möglich
Oberlandesgericht Düsseldorf
OLG Düsseldorf, 12. Mai 2022, Az. I-2 U 13/21 – Signalsynthese II
- Es ist erforderlich zwischen der grundsätzlichen (allgemeinen) Bereitschaft des Verletzers, eine FRAND-Lizenz zu nehmen, und seinem Willen, auf konkrete FRAND-Lizenzbedingungen einzugehen, zu unterscheiden.
- Auf der Stufe der Lizenzierungsbitte ist nur der allgemeine Wille des Beklagten, Lizenznehmer zu werden, erforderlich. Die konkrete Lizenzwilligkeit steht demgegenüber erst zur Debatte, wenn das Lizenzangebot des Patentinhabers als FRAND identifiziert worden ist.
- Die Bitte um Lizenzierung kann pauschal, formlos und auch konkludent erfolgen. Das Verhalten muss aber für den Gegner eindeutig den allgemeinen Willen zur Lizenznahme erkennen lassen.
- Reine Lippenbekenntnisse, also Lizenzierungsbitten, die ganz offensichtlich nicht von einem ernstgemeinten Willen zur Lizenznahme getragen sind, sondern den Patentinhaber nur hinhalten sollen und die Rechtsverfolgung verzögern genügen nicht.
- Beharrt der Verletzer kategorisch darauf ein bestimmtes, offensichtlich angemessenes Lizenzierungsmodell (z.B. eine Poollizenz) nicht einzugehen und fordert er stattdessen unnachgiebig eine bilaterale Einzellizenz, obwohl dafür keinerlei rechtfertigende Gründe bestehen, kann dies ein Indiz für eine fehlende Lizenzwilligkeit sein.
- Fehlt es an der allgemeinen Lizenzwilligkeit, so ist Angebot des Patentinhabers nicht darauf zu prüfen, ob es FRAND-konform ist. Insoweit besteht ein Unterschied zum Fehlen des konkreten Lizenzierungswillens.
OLG Düsseldorf, 07. Februar 2022, Az. I-2 U 27/21
- Der Erlass einer AASI muss für einen effektiven Rechtsschutz objektiv notwendig sein.
- Wurde noch kein Antrag auf Erlass einer Anti-Suit Injunction gestellt, fehlen konkrete Anhaltspunkte für ein dahingehendes Vorhaben oder ist zwischen den Parteien kein Hauptsachverfahren in einer ASI Jurisdiktion anhängig, liegen die Voraussetzungen für den Erlass nicht vor.
- Ein Patentbenutzer, der einen Antrag auf Erlass einer ASI gestellt hat, ist als offensichtlich lizenzunwillig anzusehen.
OLG Düsseldorf, 22. März 2019, Az. I-2 U 31/16 – Unwired Planet ./. Huawei
- Der Erwerber ist an die Lizenzpraxis – auch in Bezug auf Menge und Inhalt – gebunden, solange Lizenzverträge des ehemaligen Eigentümers in Kraft sind und auch ohne ausdrückliche / konkludente Erklärung
- Im Gegensatz zu Entscheidungen aus anderen EU-Ländern, werden zur Bewertung des Patentportfolios nicht die Patente gezählt. Stattdessen betrachtet das Gericht den Wert der patentierten Technologie
- Dementsprechend verhält sich das Angebot des SEP-Inhabers nicht zwingend proportional zur Anzahl der verkauften Patente
- Für die Bestimmung ob ein Angebot „nichtdiskriminierend“ ist, sind ausschließlich wirksame Lizenzverträge heranzuziehen
- Man muss unterscheiden zwischen Lizenzvereinbarungen, die Kreuzlizenzen enthalten und Lizenzvereinbarungen, die keinen Gegenwert enthalten – Vergleichbarkeit nur innerhalb der einzelnen Gruppen
- Ein Patentübertragungsvertrag fällt nicht unter Art. 101 AEUV, es sei denn, er enthält wettbewerbsbeschränkende Nebenabreden, da er auf den Austausch von Dienstleistungen abzielt
- Beide Parteien haben beim BGH Berufung eingelegt, was möglicherweise zur ersten Entscheidung des BGH zu FRAND seit der Huawei . /. ZTE Entscheidung des EuGH im Jahr 2015 führen wird
OLG Düsseldorf, 25. April 2018, Az. I-2 W 8/18
- Jede Partei des Verfahrens, einschließlich der Streithelferin, muss grundsätzlich Zugang zu den Gerichtsakten haben – daher muss die Partei vor dem Verfahren Vorkehrungen zur Wahrung der Vertraulichkeit treffen
- Wer ohne Sicherungsvorkehrungen vorträgt, nimmt in Kauf, dass seine Geheimnisse dem Gegner ungeschützt im Wege der Akteneinsicht bekannt werden
- Dies gilt auch für die Streithelferin
OLG Düsseldorf, 18. Juli 2017, Az. I-2 U 23/17
- Der Bestand des Verfügungspatents und die Patentverletzung müssen eindeutig zugunsten des Antragsstellers zu beantworten sein
- Der Rechtsbestand des SEP erfüllt diese Voraussetzungen nicht
- Außerdem ist die Dringlichkeit nicht gegeben
- Ausführungen zu Konsequenzen, wenn Verletzer sich weigert ein NDA zu unterzeichnen
- Eine ungerechtfertigte Ablehnung des NDA kann zu einer Erleichterung im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast des SEP-Inhabers führen
OLG Düsseldorf, 29. Juni 2017, Az. I-15 U 41/17 – Sisvel ./. Haier
- Keine Dringlichkeit
- Die Dringlichkeitsbedingung beinhaltet, dass der Patentinhaber das FRAND-Verfahren so weit wie möglich aus eigener Kraft vorantreiben muss
OLG Düsseldorf, 30. März 2017, Az. I-15 U 66/15 – Sisvel ./. Haier
- Das vom EuGH in Huawei/ZTE festgelegte Verfahren gilt auch für Übergangsfälle
- FRAND-Pflichten sind konsekutiv zu erfüllen; Patentverletzer hat Lizenzbereitschaft nur nach Verletzungshinweis anzuzeigen und ebenso FRAND-Gegenangebot nur nach FRAND-Angebot abzugeben
- Auch bei SEP besteht grundsätzlich weiter Spielraum für sachliche Rechtfertigung der Differenzierung
- Formelle Anforderungen an FRAND-Angebot und Auswirkung des FRAND-Einwands auf Schadensersatz- sowie auf Auskunfts- und Verwertungsansprüche
- Revision zugelassen und anhängig beim Bundesgerichtshof (Az. KZR 36/17, noch nicht veröffentlicht)
OLG Düsseldorf, 09. Mai 2016, Az. I-15 U 35/16 – Saint Lawrence ./. Vodafone
- Berufungsverfahren zur Entscheidung Az. 4a O 126/14 vor dem LG Düsseldorf und paralleles Verfahren zu Az. I-15 U 36/16 (Berufungsverfahren zu Az. 4a O 73/14).
- 5 Monate Reaktionszeit des Beklagten nicht mehr rechtzeitig
- Die Entscheidung des EuGH ist mit Wirkung ex tunc zu beachten und SEP-Inhabern steht kein Vertrauensschutz hinsichtlich der Entscheidung des BGH (Orange-Book-Standard) zu
OLG Düsseldorf, 17. Januar 2016, Az. I-2 U 31/16 – Unwired Planet ./. Huawei
- Vorschlag für ein angemessenes NDA mit dem Beklagten
Landgericht Mannheim
LG Mannheim, 2. März 2021, Az. 2 O 131/19 – LG ./. TCL
LG Mannheim, 21. August 2020, Az. 2 O 136/18 – IP Bridge ./. TCT Mobile
LG Mannheim, 18. August 2020, Az. 2 O 34/19 – Nokia ./. Daimler
- Der Benutzer eines standardessenziellen Patents ist in der Regel nicht lizenzwillig, wenn er den SEP-Inhaber wegen des Abschlusses eines Lizenzvertrags auf seine Zulieferer verweist.
- Der SEP-Inhaber kann grundsätzlich auswählen, auf welcher Vertriebsstufe er sein Schutzrecht durchsetzen will.
- Unabhängig von der ausgewählten Vertriebsstufe ist die angemessene Beteiligung des SEP-Inhabers und damit letztendlich die Höhe der Lizenz stets am verkaufsfähigen Endprodukt auszurichten.
- Ein Gegenangebot des Benutzers, welches hinter den FRAND-Anforderungen zurückbleibt, spricht in der Regel gegen seine Lizenzwilligkeit.
LG Mannheim, 4. September 2019, Az. 7 O 115/16
- Vertraulichkeitsvereinbarung in SEP-Lizenzverträgen sind zulässig. Für Offenlegungsobliegenheiten müssen die Interessen und das Verhalten der Parteien im konkreten gegeneinander abgewogen werden
- Obliegenheiten können während dem Verfahren nachgeholt werden. Dies erfordert allerdings eine druckfreie Situation (Aussetzung, Ruhen des Verfahrens, Aufhebung des Verhandlungstermins). Insbesondere die Offenlegung von Lizenzverträgen kann nachgeholt werden, indem der Lizenzinhaber vorschlägt, einen entsprechenden Gerichtsbeschluss zu erlassen
- Das LG Mannheim bewertet FRAND mithilfe eines „Verhaltenstests“, um festzustellen, ob die Parteien ihren jeweiligen Obliegenheiten nachgekommen sind
- Bei der Beurteilung des gesamten Vertragswerks ist es wichtig, alle Umstände einzubeziehen, so dass eine Verletzung von kartellrechtlichen Verpflichtungen in der Regel nicht allein durch Einwände gegen einzelne Klauseln nachgewiesen werden kann
- Nur wenn der Lizenznehmer die Möglichkeit einer Diskriminierung substantiiert, kann der SEP-Inhaber verpflichtet sein, sein Angebot durch die Offenlegung von Lizenzverträgen nachvollziehbar zu machen
- Bei der Durchsetzung von Lizenzprogrammen mit einer öffentlichen Poolstruktur (wie MPEG oder Sisvel Wireless) wird die Beweislast für das FRAND-Angebot reduziert, da alle Lizenznehmer den gleichen Lizenzsatz bezahlen
LG Mannheim, 13. Juli 2018, Az. 7 O 165/16 – IP Bridge ./. HTC
- Die Durchsetzbarkeit des Auskunfts-/ Rechnungslegungs- sowie des Schadensersatzanspruchs bleibt von einer FRAND-Verpflichtungserklärung des SEP-Inhabers unberührt
- Auch im Falle einer Beschränkung des Schadensersatzanspruchs (auf FRAND-Lizenzgebühr; in diesem Fall nicht maßgeblich) kann der Geschädigte grundsätzlich die geforderten Daten im Rahmen der Rechnungslegung verlangen
LG Mannheim, 02. März 2018, Az. 7 O 18/17
- Der Kläger muss den Beklagten die Fakten transparent machen, auf deren Grundlage er der Ansicht ist, dass der geforderte Lizenzpreis im Lizenzvertragsangebot FRAND ist
- Unterschiedliche Marktgröße des Lizenznehmers ist kein sachlicher Grund zur Ungleichbehandlung
LG Mannheim, 10. November 2017, Az. 7 O 28/16
- Die Durchsetzbarkeit der Ansprüche auf Auskunft/ Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach bleibt auch bei einem erfolgreichen kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand unberührt
LG Mannheim, 17. November 2016, Az. 7 O 19/16 – Philips ./. Archos
- Warum die Berechnung des Lizenzsatzes als FRAND angesehen wird, muss ebenfalls im Vorfeld des Verfahrens erläutert werden
- Wenn Kläger die zuvor versäumten FRAND-Obliegenheiten im Laufe des Verfahrens ohne Sanktionierung nachholen könnte, würde dem Grundgedanke der EuGH-Entscheidung Huawei/ZTE nicht mehr entsprochen
LG Mannheim, 27. November 2015, Az. 2 O 106/14 – Saint Lawrence ./. Deutsche Telekom
- Ein Lizenzangebot löst auch dann die Obliegenheit aus, ein Gegenangebot zu unterbreiten, wenn das Lizenzangebot selbst nicht FRAND ist
- Wenn der vermeintliche Verletzer nach Ablehnung seines Gegenangebots keine Sicherheit leistet, ist es nicht mehr relevant, ob sein Gegenangebot FRAND war oder nicht
- Patent Ambush
Oberlandesgericht Karlsruhe
OLG Karlsruhe, 14. September 2022, Az. 6 U 212/22 – LTE-Mobilfunkstandard
- Bei gebotener summarischer Prüfung ist das Urteil des LG, das den FRAND-Einwand abgewiesen hat, da die Lizenzsuchende nicht lizenzwillig war, nicht offensichtlich fehlerhaft
- FRAND-widriges Angebot der SEP-Inhaber und -Inhaberinnen entbindet Lizenzsuchende nicht gänzlich von Reaktionspflichten soweit Angebot nicht in einem Ausmaß FRAND-widrig ist, dass es sich als nicht ernst gemeint darstellt
- Die Entscheidung des LG ist nicht deswegen evident unrichtig, weil das LG bei der Beurteilung der Lizenzwilligkeit die Bedeutung einer etwaigen Kreuzlizensierung unberücksichtigt gelassen hat, da die Frage bislang weder ober- noch höchstrichterlich geklärt ist und die Entscheidung über diese Rechtsfrage dem Berufungsurteil vorbehalten bleibt
- Bei der Interessenabwägung nach §§ 707, 719 ZPO ist ggf. zu beachten, wenn Patentinhaberin eine Verwertungsgesellschaft ist, für die Marktteilnehmer, die bereits Lizenz genommen haben, kann es aber von erheblicher Bedeutung sein, dass Patentinhaber und Patentinhaberinnen die Marktteilnahme eines weiteren Unternehmens verhindert
OLG Karlsruhe, 02. Februar 2022, Az. 6 U 149/20 – Steuerkanalsignalisierung II
- Für die Beurteilung der Frage, ob ein Verhalten des Lizenzsuchers eine Lizenzwilligkeit zum Ausdruck bringt oder der Verzögerung des Abschlusses eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen dient, führt der Senat seine Rechtsprechung „Datenpaketverarbeitung“ und „ Mobilstation“ unter Berücksichtigung des danach veröffentlichten Urteils des BGH „FRAND-Einwand II“ fort;
- Die fortdauernde Lizenzbereitschaft ist unabdingbare Voraussetzung einer erfolgreichen Lizenzverhandlung und damit auch für den Vorwurf eines Missbrauchs von Marktmacht gegenüber dem Patentinhaber bei deren Scheitern;
- Der Lizenzsucher muss klar und eindeutig bereit sein, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, wie auch immer FRAND-Bedingungen tatsächlich aussehen mögen und muss zielgerichtet an den Lizenzverhandlungen mitwirken;
- Die Bekundung eines Lizenzierungswunsches oder der Verhandlungsbereitschaft sagt noch nichts darüber aus, ob diese Erklärung ernst gemeint ist. Sie kann vielmehr auch Ausfluss einer Verzögerungstaktik des Patentbenutzers sein;
OLG Karlsruhe, 12. Februar 2021, Az. 6 U 130/20 – Nokia ./. Daimler
- Regelmäßig bringt der Verletzer mit einem Vertragsangebot, das die Bestimmung der Lizenzgebühr dem SEP-Inhaber nach billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 3 BGB überlässt, hinreichend zum Ausdruck, dass er bereit ist, eine Lizenzvereinbarung abzuschließen, die jedenfalls hinsichtlich der Höhe der Lizenzgebühren FRAND-Bedingungen entspricht, wie auch immer eine solche Lizenzgebühr aussehen mag.
OLG Karlsruhe, 9. Dezember 2020, Az. 6 U 103/19 – Sisvel ./. Wiko
- Der Inhaber eines standardessentiellen Patents genügt seinen Obliegenheiten in der Regel, wenn er ein Angebot unterbreitet, das für den durchschnittlichen Lizenznehmer FRAND-Bedingungen entspricht und das Angebot in einer Art und Weise erläutert, die den konkreten Lizenzsucher dazu in die Lage versetzt, nachzuvollziehen, auf welchen Erwägungen die Höhe der Lizenzgebühr und die weiteren Bedingungen beruhen und weshalb der SEP-Inhaber die Lizenzgebühr und die weiteren Bedingungen als nicht ausbeuterisch und nicht diskriminierend erachtet.
- Die Obliegenheit des Patentbenutzers, ein Gegenangebot zu unterbreiten, besteht jedenfalls schon dann, wenn das Lizenzangebot des SEP-Inhabers nicht klar und eindeutig FRAND-widrig ist und der SEP-Inhaber den Verletzer durch die Erläuterung seines Angebots und der von ihm behaupteten FRAND-Gemäßheit der Bedingungen in die Lage versetzt hat, seinerseits ein Gegenangebot zu FRAND-Bedingungen zu unterbreiten.
- Den Patentbenutzer trifft auch unterhalb der Schwelle, ggf. zur Abgabe eines Gegenangebots gehalten zu sein, grds. die Obliegenheit, an Lizenzvertragsverhandlungen zielgerichtet mitzuwirken. Verletzt er diese Obliegenheit, kann er den Ansprüchen des SEP-Inhabers einen FRAND-Einwand grds. nicht mit Erfolg entgegenhalten.
- Diese Obliegenheit des Verletzers schließt regelmäßig ein, vom SEP-Inhaber angebotene Informationsmöglichkeiten wahrzunehmen und ihm etwaige Beanstandungen im Rahmen der Verhandlungen mitzuteilen. Mit ihr unvereinbar ist eine Verhaltensweise, die danach trachtet, Beanstandungen als Mittel für die spätere Rechtsverteidigung in einem Rechtsstreit zurückzuhalten.
OLG Karlsruhe, 30. Oktober 2019, Az. 6 U 183/16 – Philips ./. Wiko
- Es genügt, den Verletzungshinweis an die für Lizenzverhandlungen zuständige Konzernmuttergesellschaft zu richten. Der SEP-Inhaber muss sich nicht an einzelne Tochtergesellschaften wenden.
- Der Verletzungshinweis muss den Patentbenutzer in die Lage versetzen, die Qualität des Verletzungsvorwurfs und das Bedürfnis an einer Lizenz zu ermitteln. Der Patentbenutzer hat den Verletzungshinweis regelmäßig innerhalb von zwei Monaten zu prüfen.
- Verhandlungspflichten des SEP-Inhabers und Obliegenheiten des Patentbenutzers können während des Verletzungsprozesses nachgeholt werden.
- Der SEP-Inhaber hat den Inhalt der wesentlichen Vertragsbedingungen solcher Lizenzverträge mit Dritten zu erläutern, die unterschiedliche Bedingungen als sein FRAND-Angebot enthalten. Ein materiell-rechtlicher Anspruch des Patentbenutzers auf Vorlage der Verträge besteht nicht.
- Der Rechnungslegungsanspruch des SEP-Inhabers wird durch die Verletzung von Verhandlungspflichten nicht beschränkt.
OLG Karlsruhe, 08. September 2016 – Az. 6 U 58/16 – Sony ./. Acer
- Der SEP-Inhaber hat einen großen Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung der FRAND-Bedingungen
- Dass es sich bei den zu erteilenden Informationen um Geschäftsinterna handelt, die mit Rücksicht auf die Wettbewerbslage der Parteien vor der Klägerin geheim zu halten seien, rechtfertigt für sich genommen nicht die vorläufige Aussetzung der Vollstreckung
OLG Karlsruhe, 29. August 2016, Az. 6 U 57/16 – Philips ./. Acer
- Keine Beschränkung auf diejenigen Angaben, die zur Berechnung des Schadensersatzes in Lizenzanalogie erforderlich sind (abweichend von Düsseldorf)
- Eine Aussetzung kann nur in Betracht gezogen werden, wenn die Erfolgsaussichten der neuen Nichtigkeitsklage offensichtlich sind
OLG Karlsruhe, 31. Mai 2016, Az. 6 U 55/16 – Pioneer ./. Acer
- Das Gericht kann sich nicht auf eine Evidenzkontrolle beschränken, sondern muss prüfen, ob das Angebot des SEP-Inhabers den FRAND-Bedingungen entspricht oder nicht.
- Bewilligung der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung
- Die Entscheidung des EuGH wirkt ex tunc und SEP-Inhabern steht kein Vertrauensschutz hinsichtlich der Entscheidung des BGH (Orange-Book-Standard) zu
OLG Karlsruhe, 23. April 2015, Az. 6 U 44/15 – Saint Lawrence ./. Deutsche Telekom
- Grundsätzlich kann der Patentinhaber eine einstweilige Verfügung gegen jedes Unternehmen in der Lieferkette beantragen
- Die FRAND-Erklärung führt zu der berechtigten Erwartung, dass der SEP-Inhaber zuerst dem Hersteller ein Angebot macht
- Klagen gegen Distributoren zu erheben, während in anderen Fällen Lizenzen an Hersteller vergeben werden, stellt einen Widerspruch zur eigenen Lizenzierungspraxis dar
Landgericht München
Hinweise zur Handhabung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes nach Huawei v. ZTE innerhalb des Münchner Verfahrens in Patentstreitsachen (Stand: Februar 2020)
Hinweise zur Handhabung von Anträgen auf Geheimhaltung in und außerhalb der mündlichen Verhandlung in Patentstreitsachen vor dem Landgericht München I (Stand: Februar 2020)
LG München, 24. Juni 2021, Az. 7 O 36/21 – Urteil IP Bridge ./. Huawei
LG München, 25. Februar 2021, Az. 7 O 14276/20 – Urteil InterDigital ./. Xiaomi
- Bisherige Anträge auf Erlass einer ASI wurden sämtlich damit begründet, eine Hauptsacheklage im Erlassstaat zu schützen. Diese wiederum ist auf die Argumentation gestützt, der Patentbenutzer sei lizenzwillig.
- Wenn aber der Patentbenutzer wirklich lizenzwillig ist, wird er sich weiterer rechtswidriger Eingriffe in die Rechte des Patentinhabers enthalten.
- Da das deutsche Gericht das FRAND-Angebot des Patentinhabers wegen der fehlenden Lizenzwilligkeit des Beklagten nicht prüft, kommt es nicht zu einem Konflikt mit der Lizenzberechnung durch das chinesische Gericht.
LG München, 10. September 2020, Az. 7 O 8818/19 – Urteil Sharp ./. Daimler
- Eine FRAND-Verpflichtungserklärung verpflichtet den SEP-Inhaber nicht zur Lizenzvergabe an jedermann, sondern nur zur Gewährung des Zugangs zur standardisierten Technik
- Ein SEP-Inhaber verhält sich grundsätzlich nicht missbräuchlich, wenn er zunächst nur dem Hersteller des Endprodukts eine SEP-Portfoliolizenz anbietet (kein „license-to-all“).
- Die ernsthafte Lizenzwilligkeit erfordert die Erklärung des Lizenzsuchers, eine Lizenz zu „whatever terms may in fact be FRAND“ abschließen zu wollen. Dabei kommt es auf die Beurteilung des Gesamtverhaltens der Parteien an.
LG München, 11. Juli 2019, Az. 21 O 9333/19 – Beschluss Nokia ./. Continental AG
- Die Antragsgegnerin darf keine Maßnahmen ergreifen, die die Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin in Deutschland verhindert, konkret die Verfolgung einer anti-suit injunction gegen die Antragstellerin in einem Parallelverfahren in den USA
- Ein ausländisches Verfahren, welches darauf abzielt der Antragstellerin in Deutschland der Klagebefugnis zu berauben, stellt einen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Antragstellerin dar
- Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist die deutsche Rechtsordnung entscheidend, Rechtmäßigkeit ergibt sich nicht aus der Rechtmäßigkeit einer anti-suit injunction in den USA
Oberlandesgericht München
OLG München, 12. Dezember 2019 – Az. 6 U 5042/19 – Nokia ./. Continental
Bundesgerichtshof
BGH, 24. November 2020, KZR 35/17 – FRAND-Einwand II – Urteil Sisvel ./. Haier
- Der u.a. auf Unterlassung klagende Inhaber eines standardessentiellen Patents (SEP) missbraucht seine Marktmacht nicht, wenn der Verletzer nicht unzweideutig zu erkennen gegeben hat, eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden (FRAND) Bedingungen anzustreben.
- Die Lizenzwilligkeit des Verletzers darf sich grundsätzlich ebenso wenig wie die Lizenzierungsbereitschaft des Patentinhabers in der einmaligen Bekundung des Lizenzierungsinteresses oder der Vorlage eines (Gegen-) Angebots erschöpfen. Vielmehr sind beide Parteien gehalten, nach Treu und Glauben und in jeweils situationsangemessener Weise zum Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen beizutragen.
- Außerhalb des Anwendungsbereichs des Sukzessionsschutzes nach § 15 Abs. 3 PatG können Einwendungen gegen den früheren Patentinhaber dessen Einzelrechtsnachfolger nicht entgegengehalten werden. Dies gilt insbesondere für den Einwand eines „Patenthinterhalts“ (patent ambush).
BGH, 5. Mai 2020, KZR 36/17 – FRAND-Einwand – Urteil Sisvel ./. Haier
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- Die marktbeherrschende Stellung des Patentinhabers liegt vor, wenn das Klagepatent standardessentiell ist und seine technische Lehre nicht durch eine andere Gestaltung des verletzenden Produkts umgangen werden kann. Mit dem Ablauf der Schutzdauer des Patents endet die marktbeherrschende Stellung.
- Der Verletzungshinweis des SEP-Inhabers kann sich auf die Nennung des benutzten Patents, die Verletzungshandlung und die konkrete angegriffene Ausführungsform beschränken. Claim Charts sind zulässig. Der Verletzungshinweis kann auch an die Konzernmutter gerichtet sein.
- Der Benutzer des standardessenziellen Patents hat grundsätzlich die Obliegenheit, seinen Willen und seine Bereitschaft klar und eindeutig zu bekunden, mit dem Patentinhaber einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen. Er hat außerdem zielführend auf einen Vertragsabschluss hinzuwirken.
- Das Angebot eines Portfoliolizenzvertrages ist grundsätzlich kartellrechtlich unbedenklich, wenn der Lizenznehmer nicht zu Zahlungen für die Benutzung nicht-standardessentieller Patente verpflichtet und die Vergütung so berechnet wird, dass Anwender, die ein Produkt für ein spezifisches, geografisch begrenztes Gebiet entwickeln möchten, nicht benachteiligt werden.
- Der Schadensersatzanspruch des SEP-Inhabers ist nicht grundsätzlich nach dem Maßstab der Lizenzanalogie beschränkt. Der Verletzer kann dem Schadensersatzanspruch des Patentinhabers aber einen eigenen Schadensersatzanspruch entgegenhalten, der auf die Nichterfüllung seines Anspruchs auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen gestützt ist.
BGH, 14. Januar 2020, X ZR 33/19 – Akteneinsicht XXIV – Beschluss Unwired Planet ./. Huawei
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- Jede Partei des Verfahrens kann Unterlagen als „streng vertraulich“ gekennzeichnet zur Gerichtsakte reichen und deren ungeschwärzte Übermittlung an den Gegner unter die Bedingung stellen, dass zuvor eine geeignete Vertraulichkeitsvereinbarung abgeschlossen wird.
- Wenn keine Vertraulichkeitsvereinbarung abgeschlossen wird, bleiben die so eingereichten Unterlagen von Akteneinsichtsgesuchen des Gegners ausgeschlossen; das Gericht stützt seine Entscheidung dann aber auch nur auf die geschwärzten Fassungen der Dokumente.
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- LG Mannheim 7 O 212/15
- LG Mannheim 7 O 31/16
- LG Mannheim 7 O 98/16
- LG Mannheim 2 O 98/16
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