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Neueste Rechtsprechung des Einheitlichen Patentgerichts zu einstweiligen Maßnahmen

Das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) hat in einer Reihe von Entscheidungen seine Rechtsprechung zu einstweiligen Maßnahmen konkretisiert.

I. UPC_CoA_540/2024, 24.02.2025 – Notwendigkeit

Das Berufungsgericht unterstreicht in dieser Entscheidung, die zwischen Wettbewerbern im medizintechnischen Sektor ergangen ist, dass für den Erlass von einstweiligen Maßnahmen erforderlich ist, dass nachweislich der Ausgang der Hauptsache nicht abgewartet werden kann (sog. Notwendigkeit). Dies ergebe sich explizit aus dem 22. Erwägungsgrund der Durchsetzungsrichtlinie (2004/48/EG). Ein lediglich summarischer Prüfungsumfang sei nur gerechtfertigt, wenn die Hauptsache nicht abgewartet werden könne, etwa wenn ein nicht wiedergutzumachender Schaden drohe, wobei dies keine zwingende Voraussetzung sei.

Im konkreten Fall sah das Berufungsgericht keine Notwendigkeit für den Erlass einstweiliger Maßnahmen, weil die Patenterteilung in bestehende Wettbewerbsverhältnisse erfolgte. Das angegriffene Produkt war bereits seit Jahren auf dem Markt, weshalb es der Antragstellerin nicht gelang, nachzuweisen, dass dieser „status quo“ nun einstweilen geändert werden müsse und hierfür die Hauptsache nicht abgewartet werden könne.

Auch weitere Versuche der Antragstellerin die Notwendigkeit ihres Anliegens nachzuweisen, blieben erfolglos. So könne laut dem Berufungsgericht aus einer Messeteilnahme im letzten Jahr nicht gefolgert werden, dass das Produkt dort auch im bevorstehenden Termin ausgestellt werde. Die Antragstellerin müsse nachweisen, dass das konkrete Produkt auf der Messe tatsächlich ausgestellt werde. Auch gelang es der Antragstellerin nicht, nachzuweisen, dass die Produkte typischerweise bevorratet würden, was zu einem längeren Nachfrageverlust führe. Die Antragsgegnerin belegte, dass mittlerweile ein Substitut vorhanden sei und das angegriffene Produkt nicht mehr in größeren Mengen vertrieben werde.

Bezüglich vergangener Ausschreibungen von Großkunden sei ebenfalls nicht ausreichend nachgewiesen worden, dass hier jeweils der Zuschlag zugunsten der Antragsgegnerin und zulasten der Antragstellerin erfolgte.

Die Entscheidung ist eine Warnung an Antragstellerinnen einstweiliger Maßnahmen die Darlegungslast zur Notwendigkeit ihres Anliegens nicht zu unterschätzen. Gerade Messen sind häufig Ausgangspunkt patentrechtlicher Streitigkeiten. Wie diskutiert verlangt das Berufungsgericht hier den Nachweis, dass das konkret angegriffene Produkt tatsächlich ausgestellt werden wird oder ausgestellt wird.

II. UPC_CoA_523/2024, 03.03.2025 – Erstbegehungsgefahr

In einem weiteren Verfahren konnte die Antragsstellerin eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen eine Wettbewerberin und ihr Herbizid erstreiten. Das Berufungsgericht bestätigte die Anordnung. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass die Antragsstellerin Unterlassung in allen Ländern forderte, in denen ihr europäisches Patent validiert war, die Antragstellerin aber noch nicht in all diesen Ländern eine behördliche Zulassung für ihren Unkrautvernichter erlangen konnte.

Die Lokalkammer Düsseldorf hatte in vorangegangenen Entscheidungen (CFI_165/2024 und CFI_166/2024 vom 06.09.2024) noch entschieden, dass keine Erstbegehungsgefahr bestünde, wenn noch keine Marktzulassung für ein pharmazeutisches Produkt bestünde. Dies sei jedoch immer anhand einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles zu betrachten.

Und in der Tat unterscheidet sich die aktuelle Entscheidung des Berufungsgerichts darin, dass bereits eine Marktzulassung zumindest in einzelnen Staaten des EPG-Raumes vorlag. Daher bestehe das Risiko, dass derartige Marktzulassungen zukünftig für weitere EPG-Staaten gewährt werden könnten und der Vertrieb ausgeweitet würde.

Die Entscheidung fügt sich damit in das bisherige Rechtsprechungsgefüge ein. Sie ist praxisorientiert und bietet Patentinhabern den Schutz, den sie sich von einem multinationalen Gericht erhoffen, da die rechtliche Prüfung nicht an den Staatengrenzen endet. Da die Problematik der Erstbegehungsgefahr bei fehlender Marktzulassung häufig bei pharmazeutischen Produkten auftritt, kann sich der Praktiker hier das Schlagwort der „Infektionsgefahr“ merken. Die Markzulassung in einzelnen Validierungsstaaten ist ausreichend, um auch weitere mit der Erstbegehungsgefahr zu infizieren.

III. UPC_CoA_382/2024 14.02.2025 – Allgemeinverfügung und Auskunft

In der letzten hier besprochenen Entscheidung bestätigte das Berufungsgericht eine sogenannte Allgemeinverfügung. Der Antragsgegnerin wurde aufgegeben sämtliche patentverletzenden Handlungen zu unterlassen, obwohl bisher keine Herstellung patentverletzender Produkte im Inland erfolgte. Dieser Ansatz ist beispielweise den nationalen Gerichten in Deutschland fremd, welche die Erstbegehungs- und Wiederholungsgefahr nur für solche Handlungen annehmen, welche schon erfolgten, unmittelbar bevorstehen oder in der Vertriebskette nachgelagert erfolgen. Hiernach wird die Herstellung daher üblicherweise nicht untersagt, wenn bisher nur vertrieben wird.

Das Berufungsgericht folgt damit dem Vorbild britischer und niederländischer Gerichte, welche eine derartige Allgemeinverfügung in jedweder Art bei erstmaligem Verstoß kennen. Es verwundert daher nicht, dass die Entscheidung vom zweiten Berufungssenat unter dem Vorsitz der Niederländerin Rian Kalden nach erstinstanzlicher Entscheidung durch die Lokalkammer Den Haag erfolgte.

Die Entscheidung bestätigt zudem, dass Antragsteller auch im einstweiligen Verfahren eine Auskunft nach Art. 67 EPGÜ erhalten können, um die weiteren Vertriebswege aufzudecken. Das Berufungsgericht macht aber deutlich, dass hierzu in der Regel keine Preisauskünfte zählen dürften. Diese seien vordringlich zur Bestimmung des Schadensersatzes in Anschluss an das Hauptsacheverfahren relevant.

Gerade für deutsche Praktiker bedeutet dies ein Wechsel des gewohnten Fahrwassers. § 140b Abs. 3 iVm. Abs. 7 PatG räumt dem Gericht gerade kein Ermessen ein („hat Angaben zu machen“). In der Folge wurden auch von deutschen Gerichten üblicherweise Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Verfügungen aufgegeben, Preisauskünfte zu leisten.

Daher wird § 140b PatG von Teilen der Literatur insofern als Umsetzungsfehler der Durchsetzungsrichtlinie angesehen (vgl. etwa: Ann, 22. Auflage, § 35, Rz. 105). Es erscheint unbillig, dem Patentinhaber Preisinformationen zu übermitteln, die ihm ermöglichen, wettbewerbsverzerrende Angebote abzugeben, obwohl die Patentverletzung noch nicht in der Hauptsache festgestellt worden ist.

Dies führt das Einheitliche Patentgericht nicht fort und macht schulbuchmäßig vom seinem nach Art. 67 EPGÜ eingeräumten Ermessen Gebrauch.

Robert Knaps