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OLG Düsseldorf (Infusionsvorrichtung II) – Kein Mitverschulden der Klägerin

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte mit Urteil vom 13.07.2023 (Az. 2 U 79/22) die Frage zu entscheiden, ob ein Schadensersatzanspruch wegen Patentverletzung aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerin wegfallen kann.

1. Sachverhalt

Die Klägerin hatte gegen eine der Beklagten bereits einen ersten Patentverletzungsprozess aus dem Klagepatent A geführt. Dieses Verfahren bezog sich auf die erste Generation der Insulinpumpen, welche eine der Beklagten bereits seit 2016 auf dem deutschen Markt vertrieben hatte. Mit Urteil vom 13.08.2020 (Az. 4c O 20/19) hatte das Landgericht Düsseldorf eine der Beklagten wegen Patentverletzung verurteilt. Die Beklagte hatte das Urteil nicht mit der Berufung angegriffen. Das Urteil ist daher mit Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden.

Daraufhin hat die Beklagte die Insulinpumpen der ersten Generation erheblich abgewandelt und diese im Oktober 2020 u.a. in Deutschland auf den Markt gebracht (zweite Generation). Im Zuge dessen hat sie zudem ihre Vertriebsstruktur geändert.

Gegen diese zweite Generation der Insulinpumpen hat die Klägerin aus dem Klagepatent B erneut Klage vor dem Landgericht Düsseldorf erhoben. Diese Klage richtete sich u.a. gegen die Beklagte aus dem ersten Prozess. Das Landgericht Düsseldorf hat die Beklagten mit Urteil vom 26.04.2022 (Az. 4c O 26/21) wegen Patentverletzung verurteilt, weil die Insulinpumpen der zweiten Generation von dem Klagepatent B Gebrauch machen.

Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt. Die Beklagten argumentieren u.a., dass die Klägerin ein Mitverschulden trifft und deswegen der Schadensersatzanspruch vollständig weggefallen sei. Die Klägerin hätte das Klagepatent B bereits gegen die Insulinpumpen der ersten Generation geltend machen können. Dann wäre der Klägerin eine das Klagepatent B verletzende Abwandlung (Insulinpumpe der zweiten Generation) und eine deswegen erfolgte Verletzungshandlung erspart geblieben.

2. Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Der Klägerin falle kein Mitverschulden zur Last. Es sei keine Obliegenheit eines Patentinhabers, den Verletzen von weiteren Verletzungshandlungen gegen andere Patente des Patentinhabers abzuhalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Patentinhaber keinen besonderen Vertrauenssachverhalt beispielsweise durch einen vorgerichtlichen Schriftverkehr oder dergleichen begründet hat. Wenn ein solcher besonderer Vertrauenssachverhalt fehlt, dann steht es in allein in der Verantwortung des Verletzers, sicherzustellen, dass durch seine Handlungen keine Schutzrechte anderer verletzt werden. Es ist daher die Pflicht des Verletzers, die relevanten Schutzrechte Dritter zu recherchieren.

Zudem hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ausgeführt, dass selbst in dem Fall, in dem ein solcher Vertrauenssachverhalt angenommen werden kann, das Verschulden des Patentverletzers keinesfalls vollständig ausgeräumt werden kann. Es sei schließlich vordringlich die Sache des Wettbewerbers, sich nach fremden Schutzrechte zu vergewissern.

3. Praxishinweis

Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zeigt eindrucksvoll auf, dass bei der Beratung zu Umgehungslösungen eine ausschließliche Betrachtung des in Streit stehenden Schutzrechts zu kurz gegriffen ist. Ein besonderes Augenmerk sollte man in jedem Fall auf die weiteren Familienmitglieder des Klagepatents werfen.

Im Idealfall sollte der Verletzer eine umfassende Prüfung aller in Betracht kommender Schutzrechte (FTO-Recherche) in Bezug auf die Abwandlungsform durchführen. Andernfalls kann es sein, dass die Abwandlungsform ggf. sogar von Patenten eines anderen Wettbewerbers Gebrauch macht, was zu einer weiteren kostenintensiven Auseinandersetzung mit einem weiteren Wettbewerber führen könnte.

Carsten Plaga