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OLG Düsseldorf (Glatirameracetat) – Verschulden bei Vollziehung einer einstweiligen Verfügung aus einem später widerrufenen Patent

Das OLG Düsseldorf hat sich in seinem Urteil vom 12.10.2023 mit der Frage beschäftigt, ob den Patentinhaber nach Vollziehung einer einstweiligen Verfügung ein Verschulden trifft, wenn das Patent später widerrufen wird.

1.  Sachverhalt

In dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf ging es um den Schadensersatzanspruch eines Generikaunternehmens aus § 945 ZPO, welches durch eine einstweilige Verfügung vom Markt ferngehalten wurde.

Zunächst wurde das Verfügungspatent der Beklagten erstinstanzlich von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten. Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die Beklagte erwirkte sodann eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin, welche sie auch vollstreckte.

Nach Widerruf des Verfügungspatents erhob die Klägerin Klage zum Landgericht Düsseldorf. Mit Urteil vom 29.09.2022 (Az 4c O 48/21) erkannte das Landgericht Düsseldorf auf einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 945 ZPO.

2. Entscheidung des OLG Düsseldorf

In der Berufung setzte sich das OLG Düsseldorf mit der Frage auseinander, ob die Beklagte ein Verschulden treffe, weil diese eine einstweilige Verfügung aus einem später widerrufenen Patent erwirkt und vollstreckt hatte.

Zwar ist der Anspruch aus § 945 ZPO verschuldensunabhängig und als Risikohaftung ausgestaltet. Das OLG begegnete so jedoch etwaigen Bedenken in Hinblick auf die Konformität der starren Risikohaftung des § 945 ZPO mit der Enforcement-Richtlinie.

Nach Auffassung des OLG habe die Beklagte fahrlässig gehandelt, weil sie bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass ein Widerruf des Verfügungspatents möglich und erwartbar ist. Auf den Bestand einer erstinstanzlichen Rechtsbestandsentscheidung dürfe der Patentinhaber lediglich dann vertrauen, wenn eine spätere Abänderung dieser nicht vorhersehbar war. Das gelte insbesondere dann, wenn sich die Rechtsprechung überraschend geändert habe.

Wer bei einem laufenden Rechtsbestandsangriff, auch wenn dieser in der ersten Instanz erfolglos war, eine einstweilige Verfügung erwirke und vollziehe, handele bewusst auf eigenes Risiko, dass sich diese später als von Anfang an ungerechtfertigt erweisen kann.

3. Fazit

Traditionell bereitet der Nachweis des Verschuldens bei unberechtigter Schutzrechtsverwarnung Schwierigkeiten. Zudem sind die Voraussetzungen für das Verschulden in diesen Fällen hoch. Grundsätzlich darf auf den Bestand des Patents vertraut werden, wenn der Patentinhaber keinen Wissensvorsprung gegenüber der Erteilungsbehörde hat oder ihn nicht besondere Sorgfaltspflichten treffen.

Das OLG Düsseldorf setzt jedoch nunmehr die Hürden für ein Verschulden des Patentinhabers herab, der unberechtigt aus seinem Patent vorgeht. Der Patentinhaber kann aus einem erstinstanzlich aufrechterhaltenen Patent vorgehen. Er darf jedoch nicht auf den Bestand dieser Entscheidung vertrauen, sondern muss vielmehr mit der Möglichkeit eines Widerrufs rechnen.

Marco Berlage