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Patentvindikation und Urkundenvorlage

Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 26.07.2022 – X ZR 17/21 – Brustimplantat mit der patentrechtlichen Vindikation beschäftigt und dabei seine etablierte Rechtsprechung gefestigt:

Ob ein Berechtigter nach § 8 S. 1 und 2 PatG die Übertragung eines Patents oder die Einräumung einer Mitberechtigung daran verlangen kann, erfordert einen prüfenden Vergleich der zum Patent angemeldeten Lehre mit derjenigen, deren widerrechtliche Entnahme geltend gemacht wird. Dafür ist in erster Linie zu untersuchen, inwieweit beide Lehren übereinstimmen (Bestätigung von BGH GRUR 2016, 265, Rn. 22 – Kfz Stahlbauteil; BGH GRUR 2020, 1186, Rn. 41 – Mitralklappenprothese). Ferner zeigt das Urteil einen schönen Überblick über die Möglichkeiten eine nicht beweisbelastete Partei zur Urkundenvorlage bei Gericht zu verpflichten.

Sachverhalt:

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten zwei Unternehmen über mehr als ein Jahrzehnt hinsichtlich der Entwicklung von Brustimplantaten zusammengearbeitet. Dabei war es vermehrt zu Werksbesichtigungen und Unternehmensbesuchen gekommen, deren Ausmaß zwischen den Parteien streitig war. Nach dem Ende der Zusammenarbeit meldete die Beklagte das streitgegenständliche Patent an.

Das Streitpatent offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Implantaten oder Zwischenprodukten solcher Implantate. Hierbei soll eine umförmige Naht auf der Implantathülle vermieden werden, da es hierdurch zu Körperunverträglichkeiten kommen kann. Hierzu wird diese auf der Rückseite der Implantathülle gebildet, indem eine erste Schaumlage bis hin zur Rückseite auf dem Silikon angeordnet wird. Die Schaumlage wird durch Vulkanisierung mit der Implantathülle verbunden. Die zweite Schaumlage muss daraufhin nur noch einen kleinen Bereich auf der Rückseite der Implantathülle abdecken, was den Umfang der Naht deutlich verringert.

Die Klägerin hatte im Verfahren verschiedene Dokumente vorgelegt, aus denen sich ergeben sollte, dass sie bereits im Besitz der patentgemäßen Lehre gewesen war. Die Klägerin beantragte unter anderem, die Beklagte zu verurteilen, sämtliche nationalen Teile des Patents auf die Klägerin zu übertragen und in die Umschreibung der nationalen Teile gegenüber den jeweiligen nationalen Patentämtern einzuwilligen, hilfsweise die Einräumung einer Mitberechtigung.

Die Beklagte trug vor, dass es sich bei dem Patent um das Ergebnis eigener Forschung handele. Dies sollte sich insbesondere aus einem Dokument (TD 2007) ergeben, welches zum Ende der Zusammenarbeit von der Beklagten erstellt wurde. Die Klägerin wandte hiergegen ein, dass dieses Dokument inhaltlich nahezu identisch mit einem älteren Dokument (TD 2003) sei, das aus der Zusammenarbeitszeit der Parteien herrührte. Unterschiede ergäben sich nur bezüglich eines anderen Produktionsstandortes. Allerdings war das TD 2003 ausschließlich im Besitz der Beklagten.

Das LG Frankfurt a. M. und das OLG Frankfurt a. M. hatten die Klage abgewiesen, da die Klägerin weder Erfindungsbesitz noch Entnahmehandlung ausreichend belegt habe.

DArlegung der Vindikationsvoraussetzungen:

Der BGH hob das Urteil auf und verwies es zur erneuten Verhandlung zurück an das OLG Frankfurt a. M. Nach Ansicht des BGH hatte die Klägerin den Erfindungsbesitz durch die Dokumentenvorlage hinreichend vorgetragen. Der BGH sah als Lehre des Patents nicht nur Vulkanisieren als Aufbringungsform erfasst, sondern es ergäbe sich aus der Beschreibung ebenfalls, dass die Schaumlage vor dem Vulkanisieren gezogen, gedrückt oder gestreckt werde. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin bereits ausreichend ihren Erfindungsbesitz vorgetragen. Denn ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Der Vortrag muss konkret genug sein, um die Erheblichkeit der Tatsachen beurteilen zu können und eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen. Sind diese Anforderungen erfüllt und wird der Vortrag von der Gegenseite erheblich bestritten, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten (beispielhaft: BGH NJW-RR 2022, 634, Rn. 10).

Aus den Unterlagen der Klägerin habe sich insoweit ergeben, dass sie bereits zu einem früheren Stadium der Zusammenarbeit Brustimplantate nach einem Verfahren herstellte, welches die Merkmale des Streitpatents aufwies.

Soweit sich die Beklagte auf das Dokument TD 2007 stützte, hielt es der BGH für möglich, dass sich aus einem Abgleich mit der TD 2003 ergeben könne, dass bereits die TD 2003 die Erfindung vollständig beschrieb.

Urkundenvorlagepflichten:

Im Folgenden setzte sich der BGH daher mit der Frage auseinander, ob die Beklage hier eine Urkundenvorlagepflicht treffe. Eine solche Pflicht hat der BGH aus § 423 ZPO in Übereinstimmung mit dem OLG Frankfurt a. M. abgelehnt, da die Beklagte allenfalls zur Erläuterung ihres Vorbringens auf die Urkunde Bezug nahm und nicht wie der Wortlaut verlangt „zur Beweisführung“.

Der BGH rügte jedoch das vorzeitige Ablehnen einer Pflicht nach § 422 ZPO iVm. § 810 ZPO, da die TD 2003 noch während der intensiven Zusammenarbeit erstellt wurde und daher zumindest auch im Interesse der Klägerin erstellt worden war. Bei seiner erneuten Entscheidung müsse das OLG Frankfurt a. M. auch etwaige Geheimhaltungsinteressen mit der Wahrscheinlichkeit abwägen, ob die TD 2003 bereits die Erfindung vollständig beschreibe.

Sollte sich keine Pflicht aus § 422 ZPO ergeben, müsse das Berufungsgericht erneut über die Vorlegeanordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO entscheiden. Eine Ablehnung sei jedenfalls nicht allein auf Geheimhaltungsinteressen der Beklagten zu stützen, da diesen auch durch Schwärzen der nicht relevanten Passagen Rechnung getragen werden könne. Der BGH verweist zudem pauschal auf die Möglichkeit einer Schutzanordnung nach dem neuen § 145a PatG iVm §§ 16, 19 GeschGehG.

Schöpferischer Beitrag:

Bei der anschließenden Beurteilung eines schöpferischen Beitrages der Klägerin sei es nicht erforderlich, dass er einen eigenständigen erfinderischen Gehalt aufweise (BGH GRUR 2001, 903, Rn. 14, 21- Atemdrucksteuerung). Ferner sei es verfehlt, jedes Merkmal zu untersuchen, ob es für sich genommen, im Stand er Technik bekannt sei (BGH GRUR 2001, 903, Rn., 21- Atemdrucksteuerung). Auszuscheiden haben nur solche Beiträge, die den Gesamterfolg nicht beeinflusst haben, also unwesentlich in Bezug auf die Lösung sind, ferner solche, die auf Weisung eines Erfinders oder Dritten geschaffen wurden (BGH GRUR 2020, 1186, Rn. 39 – Mitralklappenprothese).

FAZIT:

Zusammenfassend stellt das Urteil kein rechtliches Novum dar. Es unterstreicht nochmals, dass auch und gerade bei der Vindikation die Lehre des angemeldeten Patents im Vordergrund stehen muss. In Vindikationsfällen ist ferner der Kläger zunächst in der Regel im Hintertreffen. Sein Vortrag muss konkret genug sein, um die Erheblichkeit der Tatsachen beurteilen zu können und eine Stellungnahme des Gegners zu ermöglichen, aber eben auch nicht mehr. Hierfür empfiehlt sich bei der Darlegung nach Möglichkeit auf Dokumente zurückzugreifen und weniger mit Zeugen zu arbeiten, die etwa Unternehmensbesuche und deren Ausmaße belegen sollen.

Darüber hinaus zeigt das Urteil verschiedene prozessuale Möglichkeiten auf, wie die nicht beweisbelastete Partei zur Urkundenvorlage verpflichtet werden kann. Der BGH hat insofern bereits in NJW 2007, 2989 – Einwertungsunterlagen für „Schrottimmobilien“ klargestellt, dass es einen Ermessensfehler darstellt, wenn das Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 ZPO eine Anordnung überhaupt nicht in Betracht zieht. Gerade Praktiker sollten die einschlägigen Vorschriften damit im Hinterkopf behalten.

Robert Knaps