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Urt. v. 03.10.2025 – Zur Haftung des Geschäftsführers für Patentverletzungen und zum Begriff des „Anbietens“ (Art. 63 EPGÜ und Art. 25 lit. a) EPGÜ, Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts

Urt. v. 03.10.2025, UPC_CoA_534/2024, UPC_CoA_19/2025, UPC_CoA_683/2024)

Das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts hat sich in einer aktuellen Entscheidung unter anderem mit der Geschäftsführerhaftung beschäftigt und den Begriff des „Anbietens“ im Sinne des Art. 25 lit. a) EPGÜ geschärft.

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens waren drei gemeinsam verhandelte Berufungen gegen eine Entscheidung der Lokalkammer München, wobei jeweils von Kläger- und Beklagtenseite eine Berufung gegen das Urteil im Verletzungsverfahren und zusätzlich eine Berufung von der Beklagten gegen die Abweisung der Widerklage auf Nichtigkeit eingelegt wurden. Die Lokalkammer München hatte der Verletzungsklage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, allerdings blieb sie hinter dem Antrag der Klägerin zurück, dass auch die Geschäftsführer der Beklagten neben den Unternehmen selbst haften. Die Widerklage auf Nichtigkeitserklärung wurde abgewiesen.

Mit der Berufung beantragte die Klägerin und Inhaberin des Klagepatents daher unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, dass auch die Geschäftsführer der Beklagten für die Patentverletzungen haften. Die beiden Berufungen der Beklagten waren auf die Aufhebung der Verurteilung im Verletzungsverfahren und der Abweisung der Widerklage auf Nichtigkeitserklärung gerichtet. Erstmals im Berufungsverfahren macht die Beklagte eine mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf eine bereits in erster Instanz eingeführten Entgegenhaltung geltend.

Entscheidung des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht bejahte die Verletzung und verneinte eine Haftung der Geschäftsführer. Zudem bestätigte es die Abweisung der Widerklage auf Nichtigerklärung. Das Berufungsgericht ließ den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zu, da die Entgegenhaltung selbst bereits Gegenstand der ersten Instanzentscheidung war; dies hatte jedoch keine Auswirkungen auf den Rechtsbestand.

1. Anbieten im Sinne des Art. 25 lit. a) EPGÜ

Das Berufungsgericht stellt fest, dass der Begriff des Anbietens autonom auszulegen ist. Es sollen schon solche Handlungen erfasst werden, die im Vorfeld von Verträgen durchgeführt werden, die dazu führen können, dass dem Patentinhaber Geschäfte entgehen. Das Anbieten ist somit vor allem wirtschaftlich zu verstehen. Ein bindendes Vertragsangebot, wie es regelmäßig aus juristischer Sicht gefordert wird, ist gerade nicht maßgeblich. Diese weite Auslegung führt dazu, dass auch bereits eine „invitatio ad offerendum“, die keinen Preis beinhaltet, ein Anbieten darstellt. Damit stellt der CoA klar, dass auch schon das Mitteilen der (unvollständigen) Rahmenbedingungen mit einer damit verbundenen Einladung zur Abgabe eines Angebots ausreicht, um im Sinne des Art. 25 lit. a) EPGÜ anzubieten.

Ebenfalls unter den Begriff des Anbietens fällt, wenn das patentverletzende Produkt zwar nicht unmittelbar beim Beklagten selbst erworben werden kann, dieser aber auf das Angebot eines Dritten verweist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Dritte das patentverletzende Produkt auch tatsächlich vertreibt. Der Dritte muss nicht lieferbereit sein.

2. Geschäftsführerhaftung

Im Hinblick auf die Frage der Geschäftsführerhaftung stellt das Berufungsgericht zunächst einige allgemeine Grundsätze auf. Verletzer im Sinne des Art. 63 Abs. 1 EPGÜ ist auch derjenige, der die Handlungen zwar nicht selbst vornimmt, dem aber die Handlungen des Haupttäters zuzurechnen sind, weil er Anstifter, Mittäter oder Gehilfe ist. Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Regelung, nämlich eine effektive Durchsetzung des Patentrechts. Art. 63 EPGÜ erlaubt daher auch eine endgültige Verfügung gegenüber denjenigen, der die Benutzungshandlung in Auftrag gegeben hat oder hierzu anstiftet. Aus der autonomen Auslegung folgt ebenfalls die Haftung des Gehilfen. Gehilfe ist nach dem Berufungsgericht derjenige, der die Benutzungshandlungen des Dritten unterstützt, obwohl er von der Patentverletzung Kenntnis hatte. Für die Kenntnis ist das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit erforderlich.

Nach den vorstehend genannten Grundsätzen kann auch ein Geschäftsführer für Patentverletzungen haftbar gemacht werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die bloße Stellung als Geschäftsführer diesen noch nicht zum Gehilfen oder Mittäter macht. Die Einstandspflicht des Geschäftsführers aufgrund seiner allgemeinen Leitungs-, Kontroll- und Organisationspflichten scheidet deshalb aus. Eine Haftung kommt nach Ansicht des Berufungsgerichts nur dann in Betracht, wenn die beanstandete Handlung des Geschäftsführers über die berufstypischen Pflichten des Geschäftsführers hinausgeht, etwa bei einer zweckgerichteten Nutzung des Unternehmens, um eine Patentverletzung zu begehen. Zudem muss der Geschäftsführer Kenntnis von der Rechtsverletzung haben. Dies setzt nicht nur voraus, dass der Geschäftsführer die Umstände kennt, aus denen sich die Patentverletzung ergibt. Vielmehr muss er sich auch der Rechtswidrigkeit bewusst sein. Holt er sich Rechtsrat zur Frage der Patentverletzung ein, kann er sich auf diesen regelmäßig bis zu einer feststellenden erstinstanzlichen Entscheidung verlassen.

Das Gesellschaftsrecht steht einer Inanspruchnahme des Geschäftsführers nicht entgegen, da der Zweck der Haftungsbeschränkung darauf gerichtet ist, die persönliche Haftung der Gesellschafter zu begrenzen, nicht die Verantwortung des Geschäftsführers zu minimieren.

Fazit

Das Berufungsgericht legt den Begriff des „Anbietens“ vergleichbar weit aus. Damit ist somit nicht nur der direkte Vertrieb als solcher gemeint. Der Patentinhaber soll umfassend geschützt sein. Dieser Ansatz ist bekannt in der deutschen Rechtsprechung. Nach der Rechtsprechung des BGH sind ebenfalls vorbereitende Handlungen, die das Zustandekommen eines späteren Geschäfts ermöglichen oder fördern, Benutzungshandlungen.

Demgegenüber unterscheidet sich die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung von der deutschen Rechtsprechung. Die Ausübung von Maßnahmen, über die typischerweise auf Geschäftsebene entschieden werden, reicht, anders als in der deutschen Rechtsprechung, nicht aus. Die Haftung nach Art. 63 EPGÜ setzt voraus, dass (1) der Geschäftsführer die patentverletzenden Umstände kennt, und (2) und ihm die Rechtswidrigkeit der Handlung bewusst ist. Ein Hinweis des Patentinhabers, wie eine Berechtigungsanfrage oder Abmahnung, genüge nicht, um das Bewusstsein von der Rechtswidrigkeit zu bejahen, sofern sich der Geschäftsführer Rechtsrat eingeholt hat. Aus der Sicht des Geschäftsführers bringt diese Entscheidung insbesondere Klarheit darüber, wie er sich zu verhalten hat, wenn er Kenntnis von einer möglichen Patentverletzung erlangt. Er kann eine Haftung durch ein rechts-/patentanwaltliches Gutachten vermeiden, was nach der strengeren nationalen Rechtsprechung hingegen regelmäßig nicht möglich ist.

Dr. Melissa Lutz