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Zur territorialen Reichweite des Unterlassungsanspruchs und die Darlegungs- und Beweislast für den Kläger (R. 13m VerfO und R. 171.1 VerfO), Lokalkammer Paris, Urt. v. 24.04.2025, UPC_CFI_440/2023)
In einem Verfahren betreffend einer Verletzungsklage hatte sich die Lokalkammer Paris mit der Frage der Darlegungs- und Beweislast der Klägerin hinsichtlich der Verletzungshandlungen der Beklagten in einzelnen Mitgliedstaaten zu befassen.
Sachverhalt
Gegenstand des Verfahrens war eine Klage gegen ein französisches Unternehmen, das einer europäischen Vertriebsgruppe angehört. Sie vertreibt in Frankreich UVC-LED-Chips, die die Klägerin für patentverletzend hält. Die Herstellerin und Lieferantin der Beklagten, eine Gesellschaft koreanischen Rechts, trat dem Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten bei. Die Klägerin ist Inhaberin des Klagepatents. Sie beantragte Unterlassung für das französische, deutschen, niederländische und britische Hoheitsgebiet. Die Klägerin legte die Verletzungshandlung in Frankreich dar, indem sie einen Screenshot von der französischen Vertriebsseite vorlegte. Zudem tätigte sie einen Testkauf in Frankreich über die französische Website. Die Beklagte bestritt die Verletzungshandlung als solche für keines der von dem Klageantrag umfassten EPGÜ-Staaten.
Entscheidung der Lokalkammer
Die Lokalkammer stellte die Patentverletzung fest und verurteilte die Beklagte unter anderem zur Unterlassung. Der Verbotstenor war jedoch nur auf das Gebiet Frankreichs beschränkt, während die Lokalkammer den Unterlassungsantrag hinsichtlich Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich abwies.
Die Lokalkammer begründete die teilweise Klageabweisung mit fehlender Substanziierung der Verletzungshandlungen für Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Es obliege dem Kläger nach R. 13m VerfO sowie R. 171.1 VerfO Nachweis über alle Tatsachen hinsichtlich der behaupteten Verletzungshandlungen zu erbringen. Die Klägerin hat jedoch nur einen Testkauf in Frankreich vorgenommen, nicht aber für die übrigen beantragten EPGÜ-Staaten und dem Vereinigten Königreich. Die von der Klägerin vorgelegten Auszüge der Website lassen eine Sektorisierung der Verkaufsgebiete erkennen. Damit hat die Klägerin nicht dargelegt und bewiesen, dass auch Verletzungshandlungen in den drei anderen Ländern durch die Beklagte vorgenommen werden. Denn obwohl es sich insgesamt um eine europäische Vertriebsgruppe handelt, ist die Klägerin nur gegen die französische Beklagte vorgegangen.
Fazit
Die Entscheidung der Lokalkammer Paris überrascht. Sie widerspricht Art. 34 EPGÜ, wonach die Entscheidung im Falle eines europäischen Patents für das Hoheitsgebiet derjenigen Vertragsmitgliedstaaten gilt, für die das europäische Patent Wirkung hat (so auch: Court of Appeal, Entscheidung vom 30.04.2025, UPC_CoA_768/2024 Rn. 124 ff.). Denn verletzt das Produkt das Klagepatent, dann ist das regelmäßig in allen Mitgliedstaaten der Fall. Es ist gerade der herausstechende Vorteil des Einheitspatentgerichts, dass Gerichte umfassende Kognitionsbefugnis besitzen. Eine Ausnahme wird nur dann gemacht, wenn bestimmte Umstände dies rechtfertigen. Möglicherweise hat die Lokalkammer Paris eine solche Ausnahme hier angenommen, weil die Klägerin sich – trotz eines unstreitig bestehenden Vertriebsnetzes – nur auf ein Unternehmen der europäischen Vertriebsgruppe beschränkt hat. Hierzu fehlen dann jedoch weitere Erwägungen. Zudem erscheint es als ein falscher Ansatzpunkt, da bei der missglückten Wahl der Beklagten keine Bindungswirkung für die übrigen Unternehmen entstünde, sondern nur das französische Unternehmen die Produkte nicht mehr vertreiben dürfte. Für alle anderen tatsächlichen Verkäufe in den anderen beantragten Ländern hätte die Klägerin schlicht eine neue Klage erheben müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Ausnahme von Art. 34 EPGÜ in diesem Fall nicht zielführend zu sein.
Die Lokalkammer Paris begründet die Entscheidung mit R. 13m VerfO und R. 171.1 VerfO. Die Klägerin sei ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachkommen, weil sie die Verletzungshandlungen nicht für jeden Mitgliedstaat gesondert dargelegt hat. Eine solche Auslegung der Beweisregeln widerspricht jedoch dem oben skizzierten Grundsatz. Dies gilt umso mehr, da die Beklagte die Verletzungshandlungen für die übrigen Vertragsstaaten nicht bestritten hat. Es wäre daher stringenter und auch prozessökonomischer gewesen, wenn die Lokalkammer die Unterlassung für sämtliche beantragten Vertragsstaaten tenoriert hätte und das hier offensichtliche Störgefühl der falschen Beklagtenauswahl über die inter partes Wirkung des Urteils zu lösen.