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Berufungsgericht: Zu den Voraussetzungen eines Rücktritts vom Opt-out nach Art. 83 (4) EPGÜ

Berufungsgericht des EPG, Entscheidung vom 12.11.2024, UPC_COA_489/2023 und 500/2023 – AIM Sport Development / Supponor et al.

I. Sachverhalt

Für das Klagepatent wurde am 12. Mai 2023 (während der „Sunrise Period“) ein Opt-out erklärt. Das Opt-out wurde am 01. Juni 2023 in das EPG-Register eingetragen. Am 05. Juli 2023 stellte die Klägerin einen Antrag auf Rücktritt vom Opt-Out. Am selben Tag reichte die Klägerin eine Verletzungsklage betreffend die Verletzung des Klagepatents und einen Antrag auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen gegen die Beklagten ein. Die Lokalkammer Helsinki wies die Verletzungsklage und den Antrag auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen mit der Begründung zurück, das EPG sei aufgrund seines Opt-out vom 12. Mai 2023 nicht zuständig. Der Rücktritt sei unwirksam, da zum Zeitpunkt des Opt-out und des Rücktritts vom Opt-out noch Klagen vor den deutschen nationalen Gerichten anhängig gewesen, die im Jahre 2020 erhoben worden seien.

II. Entscheidung des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht hebt die Entscheidung des Gerichts erster Instanz auf.

Der Satz „Sofern nicht bereits eine Klage bei einem nationalen Gericht erhoben wurde“ in Art. 83 Abs. 4 EPGÜ sei in Anbetracht des Wortlauts, der Struktur, des Sinns und Zwecks des Art. 83 EPGÜ in seiner Gesamtheit so zu verstehen, dass er sich auf eine Klage beziehe, die während der Übergangsregelung vor einem nationalen Gericht erhoben werde. Frühere nationale Klagen (vor Inkrafttreten der Übergangsregelung) fallen nicht unter die Einschränkungen des Rücktritts vom Opt-out.

Das Berufungsgericht hat die in Art. 31 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention festgelegten Auslegungsregeln bei der Auslegung des Art. 83 EPGÜ herangezogen und festgestellt, dass der Begriff „Klage“ in Art. 83 Abs. 4 EPGÜ nicht isoliert, sondern im Gesamtkontext des Art. 83 EPGÜ verstanden werden müsse. Das Gericht sieht keinen Grund, den Begriff „Klage“ in Abs. 4 anders auszulegen als den Begriff „Klage“ in Abs. 1, 2 und 3, d.h. als eine Klage, die während der Übergangszeit erhoben worden sei.

Weiterhin hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass diese Auslegung auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des Art. 83 EPGÜ stehe.

Die Möglichkeit, vom Opt-out gemäß Art. 83 Abs. 4 EPGÜ zurückzutreten, diene dazu, einem Patentinhaber zu ermöglichen, die Folgen eines früheren Opt-out rückgängig zu machen und das neue EPG-System mit seinen Vorteilen zu nutzen, sobald er sich mit der Funktionsweise des EPG vertraut gemacht habe. Die Einschränkungen der Opt-out Möglichkeit und des Rücktritts nach Art. 83 Abs. 3 bzw. 4 EPGÜ sollen einen Missbrauch dieses Systems durch einen unzulässigen Wechsel der Zuständigkeiten verhindern. Im Einklang mit diesem Zweck sei unter „bereits eine Klage vor einem nationalen Gericht erhoben worden“ eine Klage zu verstehen, die nach Inkrafttreten der Übergangsregelung bei einem nationalen Gericht erhoben worden sei. Davor sei ein Missbrauch gar nicht möglich.

Das Berufungsgericht hat gleichzeitig klargestellt, dass eine andere Auslegung dem Sinn und Zweck des Opt-out- und Rücknahmesystems widersprechen und zu einer Ungleichbehandlung der Inhaber von Patenten führen würde, die in der Vergangenheit Gegenstand eines nationalen Rechtsstreits gewesen seien. Denn würde sich ein Patentinhaber, dessen Patent jemals Gegenstand eines Rechtsstreits vor einem nationalen Gericht gewesen sei, für ein Opt-out entscheiden, wäre ein Rücktritt nicht möglich, was ihn der Möglichkeit berauben würde, das EPG-System und seine Vorteile jemals zu nutzen.

Außerdem hat das Berufungsgericht festgestellt, dass sich der Begriff „Klage“ in Art. 83 EPGÜ nicht nur auf Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen, sondern auf alle in Art. 32 EPGÜ genannten Klagen beziehe, für die das EPG zuständig ist.

III. Ausblick

Diese Entscheidung trägt dazu bei, dass das EPG eine höhere Attraktivität für Patentinhaber erlangt, indem es ihnen erlaubt, unter bestimmten Bedingungen in das EPG-System zurückzukehren, selbst wenn deren Patente von früheren nationalen Verfahren betroffen waren und die sich gegen das neue System entschieden haben.

Anda Soponar

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Zu den Voraussetzungen einer drohenden Patentverletzung im Sinne des Art. 62 (1) EPGÜ

Lokalkammer Düsseldorf, Urt. v. 06.09.2024, UPC_CFI_165/2024, UPC_CFI_166/2024 – Novartis / Genentech

In einem Verfahren betreffend den Erlass einstweiliger Maßnahmen hatte sich die Lokalkammer Düsseldorf mit der Frage zu befassen, wann eine Patentverletzung im Sinne des Art. 62 (1) EPGÜ „droht“.

Sachverhalt

Die Antragsstellerin ist Inhaberin des Streitpatents, das eine pharmazeutische Formel betreffend Antikörper-Biosimilars zum Gegenstand hat. Die Antragsgegnerinnen gehören einem Konzern an. Die Antragsgegnerin im parallelen Verfahren UPC_CFI_166/2024 ist die Muttergesellschaft der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 7) im Verfahren UPC_CFI_165/2024. Die Muttergesellschaft hält 100% der Anteile an der Antragsgegnerin zu 1), die für das Marketing und den Vertrieb in Europa zuständig ist. Die Antragsgegnerin zu 1) ist hundertprozentige Anteilseignerin an den Antragsgegnerinnen zu 2) bis 7). Die Muttergesellschaft hat ein Biosimilar Produkt entwickelt, das den Antikörper Omalizumab enthält (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“), dessen klinische Studie der Phase III auf einem Vergleich mit dem Produkt der Antragsstellerin basierte, das die patentierte Formel enthält. Zwischen Juli und Oktober 2023 erhoben die Antragsgegnerinnen in mehreren Ländern Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent. Im November 2023 erklärte ein Vertreter der Beklagten in einem koreanischen Nachrichtenportal für das Gesundheitswesen, dass es das Ziel der Antragsgegnerinnen sei, das erste Unternehmen zu sein, dass dieses Antikörper- Biosimilar in wichtige Länder liefert. Kurz darauf übersendete die Antragstellerin eine Berechtigungsanfrage an die Antragsgegnerinnen. Die Antragsgegnerinnen erwiderten, ihr Produkt mache von der Lehre des Streitpatents keinen Gebrauch. Im Übrigen sei das Streitpatent nicht rechtsbeständig. Am 25.03.2024 veröffentliche die Muttergesellschaft eine Pressemitteilung, in der sie ihre Intention äußerte, das Produkt sobald wie möglich auf den europäischen Markt zu bringen, wenn die Europäische Marktzulassung erteilt werde. Im selben Monat nahmen die Antragsgegnerinnen an einer Fachmesse in Belgien teil, wo sie an ihrem Stand Informationen über die angegriffene Ausführungsform anboten. Am 10.04.2024 versendete die Antragsgegnerin zu 2) eine E-Mail an einen potenziellen Kunden, in der sie ihn über das positive Signal für eine baldige Erteilung einer Marktzulassung informierte und gleichzeitig anbot, ihn über relevante Neuigkeiten auf dem Laufenden zu halten.

Die Marktzulassung für die angegriffene Ausführungsform wurde am 16.05.2024 von der Europäischen Arzneimittelagentur erteilt. Die Antragsgegnerinnen haben sodann am 24.04.2024 eine weitere Pressemitteilung über die Marktzulassung veröffentlicht und angekündigt, ihren Marktanteil rasch auszubauen. Daraufhin beantragte die Antragstellerin den Erlass einstweiliger Maßnahmen.

Entscheidung der Lokalkammer

Die Lokalkammer weist den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen zurück und begründet dies mit dem Fehlen einer drohenden Patentverletzung im Sinne des Art. 62 (1) EPGÜ.

Für die Beurteilung, ob eine Patentverletzung unmittelbar bevorsteht, müssen die Gesamtumstände des konkreten Falls betrachtet werden. Es müssen bestimmte Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass der potenzielle Verletzer bereits die vollständigen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass die Patentverletzung stattfinden kann. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Antragstellerin.

Entscheidend ist daher nach Ansicht der Lokalkammer, ob das Verhalten der Antragsgegnerinnen zu dem Schluss führt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit beabsichtigen, während der Patentlaufzeit ohne weitere Umstände in den Markt einzutreten. Dies ist dann der Fall, wenn die Antragsgegnerinnen ein konkretes Angebot auf dem Markt gemacht haben. Dies verneint die Lokalkammer. Erforderlich wäre gewesen, dass die Antragsgegnerinnen das Präparat mit allen Zulassungen und festen Preisen bewerben, sodass Kunden eine Bestellung aufgeben können. Die potenziellen Kunden sind allerdings mit den Regularien in der Pharma-Branche vertraut und wissen, dass nur eine vage Äußerung zum Markteintritt vorliegt, wenn die Preisbildung noch nicht abgeschlossen wurde.

Somit waren aus Sicht der Lokalkammer noch nicht alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Produkt unmittelbar auf dem europäischen Markt angeboten wird. Die Ankündigung, nachdem die Marktzulassung erfolgte, reicht hingegen noch nicht aus, da es noch keinen spezifischen Zeitrahmen für die Preisverhandlungen gab oder eine Situation vorlag, in der beispielsweise Proben an potenzielle Kunden geschickt wurden.

Fazit:

Die Entscheidung der Lokalkammer erging im Zusammenhang mit Pharmazeutika, die weitere regulatorische Voraussetzungen erfüllen müssen, um auf den Markt zu gelangen. Die Frage, wann sich die tatsächlichen Anzeichen für einen Markteintritt eines Wettbewerbers so konkretisiert haben, dass der Schutzrechtsinhaber dagegen aufgrund der sog. Erstbegehungsgefahr vorgehen kann, ist allerdings von grundlegender Bedeutung.

Da der hiesige Sachverhalt besonders zu behandeln war, bleibt abzuwarten, inwieweit auch in anderen Sachverhaltskonstellationen ein vergleichbar strenger Maßstab anzusetzen ist. In jedem Fall sollte der Sachverhalt ausführlich dahingehend geprüft werden, ob bereits alle Voraussetzungen erfüllt bzw. Schritte eingeleitet wurden, damit das Produkt unmittelbar auf dem Markt angeboten wird.

Dr. Melissa Lutz

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Zur Zustellung der Klageschrift gegenüber ausländischen Beklagten in Verfahren vor dem EPG

Das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) hat sich in einer Reihe von Entscheidungen mit der Frage beschäftigt, welche Voraussetzungen an eine Klagezustellung an Beklagte zu stellen sind, die ihren Sitz außerhalb der EPG- und EU-Mitgliedsstaaten haben.

I. Sachverhalt

Verklagt waren jeweils sowohl Beklagte mit Sitz in den EPG-Mitgliedsstaaten (insbesondere der Bundesrepublik Deutschland; nachfolgend vereinfacht „europäische Beklagte“) also auch Beklagte, die ihren Sitz weder in den EPG-Mitgliedsstaaten noch in den EU-Mitgliedsstaaten hatten (Asien; nachfolgend vereinfacht „asiatische Beklagte“). Bei sämtlichen Beklagten handelt es sich um voneinander unabhängige Gesellschaften innerhalb der Gesamtkonzernstruktur. Zumeist war die asiatische Beklagte höher in der Konzernstruktur angesiedelt (Mutterkonzern).

II. Fragestellung

Die Klägerinnen waren der Ansicht, dass die Klage am Sitz der europäischen Beklagten mit Wirkung gegenüber der asiatischen Beklagten zugestellt werden kann, da diese innerhalb der Konzernstruktur miteinander verwoben sind.

Insoweit verwiesen sie zunächst auf R. 271.5 lit a) EPG VerfO, wonach die Zustellung innerhalb der EPG-Vertragsmitgliedsstaaten an folgendem Ort zu bewirken ist (Hervorhebung hinzugefügt):

„ist der Beklagte eine Gesellschaft oder eine andere juristische Person, an seinem satzungsgemäßen Sitz, seiner Hauptverwaltung oder dem Sitz seiner Hauptniederlassung innerhalb der Vertragsmitgliedsstaaten oder an jedem anderen Ort innerhalb der Vertragsmitgliedsstaaten, an dem die Gesellschaft oder andere juristische Person einen dauerhaften oder vorübergehenden Geschäftssitz hat“

Die Differenzierung innerhalb der ersten Variante ist vorliegend nicht Belang, sodass im Folgenden lediglich von „Hauptsitz“ und „Geschäftssitz“ einer Beklagten die Rede ist.

Weiterhin verwiesen die Beklagten auf R. 275 EPG VerfO. Diese regelt in Abs. 1:

„Konnte eine Zustellung nach Abschnitt 1 oder 2 nicht vorgenommen werden, kann das Gericht auf Antrag des Klägers die Zustellung nach einem alternativen Verfahren oder an einem anderen Ort durch Anordnung zulassen, wenn es der Auffassung ist, dass gute Gründe dafür vorliegen, die Zustellung nach einem nach diesem Kapitel sonst nicht vorgesehenen Verfahren oder an einem nach diesem Kapitel sonst nicht vorgesehenen Ort zu gestatten.“

In Abs. 2 heißt es:

„Auf einen mit einer Begründung versehenen Antrag des Klägers kann das Gericht anordnen, dass die Schritte, die bereits unternommen wurden, um dem Beklagten die Klageschrift nach einem alternativen Verfahren oder an einem anderen Ort zur Kenntnis zu bringen, eine rechtsgültige Zustellung darstellen.“

III. Lokalkammern lehnten wirksame Zustellung ab

Die Lokalkammern stellten in ihren Anordnungen fest, dass die Anwendung der R. 275 EPG VerfO jedenfalls einen vorherigen Zustellungsversuch voraussetze. Dieser Zustellungsversuch könne nicht bei einer anderen juristischen Person erfolgen, da sonst die Gefahr bestehe, dass höherrangige Zustellungsvorschriften ausgehebelt würden (vgl. etwa Anordnung der Lokalkammer Mannheim vom 09.02.2024 – UPC_CFI_223/2023).

IV. Relevante EuGH-Rechtsprechung:

Die Lokalkammern bezogen sich dabei maßgeblich auf die Rechtsprechung des EuGH.

Dieser hat bereits in seinem Urt v. 19.12.2012 – C-325/11, EuZW 2013, 187 – Alder klargestellt, dass der nationale Gesetzgeber höherrangige Zustellungsregelungen, wie die EuZVO ((EG) Nr. 2020/1784, damals noch (EG) Nr. 1393/2007) nicht aushebeln darf. Nationale Zustellungsregelungen sind daher so auszulegen, dass sie nicht gezielt den Anwendungsbereich höherrangiger Zustellungsregelungen begrenzen, indem sie etwa festlegen, dass in bestimmten Fällen ein Schriftstück nicht körperlich in das Ausland zu übermitteln ist. Kann die nationale Vorschrift nicht europarechtskonform ausgelegt werden, ist sie europarechtswidrig.

Weiter hat der EuGH t kürzlich entschieden, dass Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 101 AEUV in Verbindung mit der EUZVO (noch Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 […]) dahin auszulegen sind, dass

„eine Muttergesellschaft, gegen die eine Klage auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens erhoben wurde, nicht rechtswirksam geladen wurde, wenn die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an der Adresse ihrer im Mitgliedstaat der Klageerhebung ansässigen Tochtergesellschaft erfolgte; dies gilt auch dann, wenn die Muttergesellschaft mit dieser Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bildet.“

EuGH, Urteil vom 11.07.2024 – C-632/22, NZKart 2024, 446 – Volvo

Der EuGH bestärkt damit die Unabhängigkeit von Gesellschaften, selbst wenn sie demselben Konzern angehören.

Die Entscheidung ist wegen ihres rechtlichen Aufhängers an Art. 47 der Charta der Grundrechte und der EuZVO auch auf andere Rechtsgebiete als das Kartellrecht übertragbar, vgl. Rz. 54 der Entscheidung. Art. 47 der Charta der Grundrechte gewährt seine Recht hierüber hinaus auch Beklagten aus Nicht-EU-Staaten, da Art. 47 nicht darauf abstellt, wo jemand ansässig ist, sondern, ob seine Rechte innerhalb der EU betroffen sind, also auch innerhalb eines europäischen Gerichtsprozesses.

V. EPG-Berufungsgericht bestätigt, dass Zustellung nicht wirksam

 Unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des EuGH ordnete das EPG-Berufungsgericht an, dass zuerst ein verfahrensrechtlich vorgesehener Zustellungsversuch erfolgen muss, bevor die Zustellung durch alternative Verfahren oder an einem alternativen Ort (R. 275 EPG VerfO) zulässig ist. R. 275.2 EPG VerfO setzt lso wie R. 275. 1 EPG VerfO einen verfahrensrechtlich vorgesehenen Zustellungsversuch voraussetzt. Der Wortlaut lässt dies offen zwar offen. Die Systematik und die Gefahr, dass internationale Zustellungsregelungen ausgehebelt werden (s.o.) sprechen nach Ansicht des EPG- Berufungsgerichts jedoch dafür.

Das EPG-Berufungsgericht geht sodann der Frage nach, ob ein tauglicher Zustellungsversuch am Sitz der europäischen Beklagten mit Wirkung gegenüber der asiatischen Beklagten nach R. 271.5 lit a) EPG VerfO vorliegt. Genau genommen wäre bei Bejahung dieser Frage die Zustellung schon ipso iure erfolgt. Die Klägerinnen vertraten daher vereinzelt die Auffassung, dass R. 275 Abs. 2 EPG VerfO dem Gericht auch in diesem Fall die (Feststellungs) Befugnis gibt, anzuordnen, dass eine rechtsgültige Zustellung erfolgt ist.

Das EPG-Berufungsgericht entschied, dass sich aus dem Wortlaut von R.271.5 lit. a) EPG VerfO deutlich ergebe, dass (Hervorhebung hinzugefügt)

„er nur für Zustellungen an Gesellschaften oder andere juristische Personen gilt, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in den Vertragsmitgliedstaaten haben. Dies wird durch die Wahl der Formulierung im zweiten Teil des Satzes deutlich, in dem auf „die Gesellschaft“ Bezug genommen wird. Der Verweis auf „die Gesellschaft“ verweist auf den ersten Teil des Satzes, in dem eine solche Gesellschaft definiert wird, d.h. eine Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in den Vertragsmitgliedstaaten.

Der Wortlaut des zweiten Teils von R.271.5 lit. a) VerfO sieht somit Orte vor, an denen die Zustellung im EPG-Gebiet erfolgen kann, als Alternative zur Zustellung an eine Gesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in den Vertragsmitgliedstaaten. Diese Bestimmung sieht also alternative Zustellungsorte für einen Beklagten vor, der im EPG-Gebiet ansässig ist. Die Zustellung kann dann an jedem anderen Ort innerhalb der Vertragsmitgliedstaaten erfolgen, an dem die Gesellschaft oder andere juristische Person einen dauerhaften oder vorübergehenden Geschäftssitz hat.“

  1. 271.5 lit a) EPG VerfO ist nach dem EPG-Berufungsgericht daher in jedem Fall nur auf Beklagte anwendbar, die ihren Hauptsitz innerhalb der Vertragsmitgliedsstaaten haben. Europäische Beklagte können daher kein dauerhafter oder vorübergehender Geschäftssitz einer asiatischen Beklagten sein.

Das EPG-Berufungsgericht schließt insoweit grundsätzlich eine Auslegung von 271.5 lit a) zweite Alternative EPG VerfO, wonach einer asiatischen Beklagten (Hauptsitz außerhalb der EPG-Vertragsmitgliedsstaaten) jemals eine Klage innerhalb der Vertragsmitgliedsstaaten zugestellt werden kann, selbst wenn diese dort nach eigenen Angaben einen vorübergehenden oder dauerhaften Geschäftssitz eingerichtet hat.

VI. Bewertung und praktische Auswirkungen

Juristisch nachvollziehbar ist aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Trennung der Beklagten noch, dass bei Tochtergesellschaften keine Zustellung gegenüber der Muttergesellschaft erfolgen kann (vgl. EuGH Volvo oben).

Die weitere Auslegung des EPG-Berufungsgerichts erscheint jedoch nach Auffassung des Autors zu eng, insbesondere mit Blick auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung (Aldar). Der EuGH macht klar, dass es lediglich darum geht, zu verhindern, dass dem Beklagten ein Schriftstück, etwa eine Klage, tatsächlich nicht körperlich erreicht (sog. fiktive Inlandszustellung). Unterhält ein Beklagter innerhalb der Vertragsmitgliedsstaaten aber einen vorübergehenden oder dauerhaften Geschäftssitz, muss er sich hieran festhalten lassen und hier eine Zustellung gegen sich gelten lassen. Im Einzelfall ist natürlich zu prüfen, ob ein Geschäftssitz im Sinne der Vorschrift vorliegt.

Entsprechend erlaubt die deutsche ZPO die Zustellung an jedem Ort, an dem eine Person angetroffen wird, vgl. § 177 ZPO. In Messesachen kann ferner § 178 Abs. 1 ZPO herangezogen werden. Ein Messestand gilt üblicherweise als Geschäftsraum in diesem Sinne.

Nach der Rechtsprechung des EPG-Berufungsgerichts wäre es hingegen bspw. unmöglich, in Verfahren über einstweiligen Maßnahmen schnell eine Einstweilige Anordnung etwa am Messestand einer asiatischen Beklagten zuzustellen, vgl. R. 276 EGP VerfO, der auf die vorherigen Zustellungsregelungen, also auch R. 271.5 lit a) EGP VerfO verweist. Dies ist insbesondere erforderlich, wenn der Antragsgegner noch nicht anwaltlich vertreten ist.

Es ist daher zu hoffen, dass das EPG-Berufungsgericht diese Rechtsprechung in Zukunft noch einmal in den Blick nehmen wird.

Robert Knaps

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JUVE Patent Ranking Germany 2024 – 5 Stars für Kather Augenstein

Wir freuen uns sehr, dass Kather Augenstein im heute veröffentlichten JUVE Patent Ranking Germany 2024 in der Kategorie Litigation: Lawyers mit 5 Stars ausgezeichnet wurde. Mit dieser besonderen Anerkennung hat unsere Boutique-Kanzlei in diesem Jahr die Top Position Tier 1 erreicht und zählt damit zu den führenden IP-Spezialisten in Deutschland.

Ein herzlicher Glückwunsch geht an unsere Recommended und Leading Individuals, Dr. Peter Kather, Dr. Christof Augenstein, Christopher Weber und Miriam Kiefer LL.M., sowie an das gesamte Team von Kather Augenstein für diese herausragende Leistung.

In seiner diesjährigen Bewertung hebt JUVE Patent die besondere Schlagkraft unseres Expertenteams in komplexen Verfahren vor nationalen Gerichten und dem UPC hervor. „Das Team ist bereits jetzt eines der aktivsten am neuen Gericht und bearbeitet eine signifikante Anzahl hochkarätiger Fälle aus einer Vielzahl von Branchen, darunter mobile Kommunikation, Automobilindustrie und Medizintechnik.“

Im aktuellen Ranking werden besonders erwähnt: Christof Augenstein, der als „kreativ, praxisnah und reaktionsschnell“ von Mandanten sowie als „freundlich, aber bestimmt“ von Wettbewerbern beschrieben wird; Peter Kather, der als „sehr mandantenorientiert mit herausragender Strategie- und Verfahrensberatung“ von Mandanten sowie als „sehr erfahren“ von Wettbewerbern geschätzt wird; Miriam Kiefer, die für ihr „hervorragendes Case Management und ihre Fähigkeit, auf Mandantenbedürfnisse einzugehen“, anerkannt wird und Christopher Weber, der für seine „technische Expertise und internationale Versiertheit“ besonders hervorgehoben wird.

Das vollständige Ranking finden Sie  hier.

 

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Juristinnen erzählen – Dr. Katharina Brandt als Gast im Interviewpodcast des ITM Münster

In der 10. Folge der Podcastserie „Juristinnen erzählen“ des ITM Münster hat Dr. Katharina Brandt die Gelegenheit, über ihren Berufseinstieg bei Kather Augenstein zu berichten. Im Interview mit  Katharina Börms teilt Sie ihre Begeisterung für das Patentrecht sowie einige der Herausforderungen, denen sie als junge Anwältin begegnete.

Während ihres Studiengangs der Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt im Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) an der Universität Münster absolvierte Katharina u.a. eine Zusatzausbildung im Gewerblichen Rechtsschutz. Nach ihrem ersten Examen promovierte sie im Patentrecht und trat 2021 als Associate bei Kather Augenstein ein. Seitdem berät und vertritt sie nationale und internationale Unternehmen verschiedener Branchen in allen Bereichen des Gewerblichen Rechtsschutzes, wobei ihr Tätigkeitsschwerpunkt im Patentrecht liegt.

Dieses Interview richtet sich besonders an Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger sowie alle, die sich noch in der Ausbildung befinden.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Anhören! Hier geht es zum Podcast.

 

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Vorläufiger Geheimnisschutz in Eilverfahren vor dem EPG

Lokalkammer Düsseldorf, Verfahrensanordnung v. 23.02.2024 – UPC_CFI_463/2023 – 10x Genomics/Curio Bioscience

In seiner Verfahrensanordnung vom 23.02.2024 hat sich die Lokalkammer Düsseldorf mit der Frage auseinandergesetzt, wie vorläufiger Geheimnisschutz in Eilsachen zu gewährleisten ist.

I. Sachverhalt

Am 04.12.2023 stellte die Antragstellerin bei der Lokalkammer Düsseldorf einen Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen.

Vor Ablauf der Einspruchsfrist (R. 209.1 (a) VerfO) und vor Einreichung der Einspruchsschrift beantragte die Antragsgegnerin die Anordnung von Maßnahmen zum vorläufigen Schutz vertraulicher Informationen. Mit Verfahrensanordnung vom 14.02.2024 stellte die Lokalkammer ihre Entscheidung über die Anträge zurück, bis die Antragsgegnerin ihren Einspruchsschriftsatz eingereicht und einen Antrag auf den Schutz vertraulicher Informationen gestellt hat. In diesem Zusammenhang erläuterte sie auch das durch das Case Management System vorgesehene abgestufte Verfahren des Geheimnisschutzes, nachdem die Kammer zunächst Anordnungen zum vorläufigen Schutz der (vermeintlich) geheimhaltungsbedürftigen Dokumente treffen kann.

Mit Einreichung der Einspruchsschrift nebst Anlagen beantragte am 15.02.2024 beantragte die Antragsgegnerin den Schutz der dort enthaltenen, vertraulichen Informationen. Mit einer Verfahrensanordnung vom 16.02.2024 räumte die Lokalkammer den bisher im Verfahren benannten Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin Zugang zur ungeschwärzten Fassung der vorgelegten Dokumente ein und verpflichtete diese unter Androhung von Zwangsgeldern – auch gegenüber der Antragstellerin – zur Geheimhaltung. Zugleich erhielten die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme, welche Personen bis zur endgültigen Entscheidung über den Geheimnisschutz Zugang zu den Informationen erhalten sollten.

Die Antragsgegnerin beantragte, dass der Zugang zu den Informationen auf vier namentlich bekannte Rechtsvertreter zu beschränken sei, die sich verpflichten, 5 Jahre lang an keinen Lizenzverhandlungen im Bereich der patentgemäßen Lehre teilzunehmen. Hilfsweise sollte zusätzlich ein Mitarbeiter der Antragstellerin aus der Rechtsabteilung, der ebenfalls an keinen geschäftlichen Entscheidungen beteiligt ist, Zugang erhalten, wobei auch dieser sich verpflichten solle, 5 Jahre lang an keinen Lizenzverhandlungen im Bereich der patentgemäßen Lehre teilzunehmen.

Die Antragstellerin beantragte demgegenüber Zugang zu den (vermeintlich) vertraulichen Informationen für die Rechtsanwälte der von der Antragstellerin mandatierten Kanzlei, sowie für zwei namentlich benannte, zuverlässige Personen bei der Antragstellerin. Hilfsweise beantragte sie Zugang für die mit dem Verfahren betrauten Rechtsanwälte der von der Antragstellerin mandatierten Kanzlei, zwei Rechtsanwaltsfachangestellte sowie die zwei benannten, zuverlässigen Personen bei der Antragstellerin.

II. Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf

In der vorläufigen Geheimhaltungsanordnung beschränkt die Lokalkammer Düsseldorf den Zugang zu den geschwärzten Informationen bis zu einer abschließenden Entscheidung über den Geheimnisschutzantrag auf Seiten der Antragstellerin auf die mit dem Verfahren betrauten Rechtsanwälte der von der Antragstellerin mandatierten Kanzlei, zwei Rechtsanwaltsfachangestellte und eine der benannten, zuverlässigen Personen bei der Antragstellerin. Die Personen sind zur Geheimhaltung auch gegenüber der Antragstellerin verpflichtet. Die Informationen dürfen außerhalb des Verfahrens nicht offengelegt werden. Die Antragstellerin hat sicherzustellen, dass nur die zuverlässige Person Zugang zu den Informationen hat.

Ausgehend von Art. 9 Abs. 1 und 2 lit. a) RiLi (EU) 2016/943, Art. 58 EPGÜ und R.262 VerfO stellt die Kammer fest, dass der Zugang zu (angeblichen) Geschäftsgeheimnissen auf eine begrenzte Anzahl von Personen beschränkt werden kann. Bis zu endgültigen Geheimnisschutzanordnung kann der Zugang noch weiter eingegrenzt werden, um einen effektiven Geheimnisschutz zu gewährleisten. Der Geheimnisschutzantrag kann auch mit den geschwärzten Versionen der betroffenen Dokumente mit der Partei erörtert werden.

Im vorliegenden Fall darf allerdings nicht die Besonderheiten des Eilverfahrens außer Acht gelassen werden. Stellungnahmefristen sind kurz bemessen. Fristverlängerungen sind in der Regel ausgeschlossen, der Termin zur mündlichen Verhandlung steht häufig kurzfristig an. All dies muss bei der Bestimmung des Personenkreises, der Zugang zu den Informationen erhalten soll, berücksichtigt werden, um ein faires Verfahren zu gewährleisten. Die von der vorläufigen Geheimnisschutzanordnung betroffene Partei muss entsprechend unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses der Gegenseite vollumfänglich arbeitsfähig und in der Lage sein, in der Sache zu jedem durch die Gegenseite aufgeworfenen Punkt Stellung zu nehmen. Im Einklang mit seiner Anordnung vom 14.Februar 2024 gelangt die Lokalkammer so zu dem vorläufigen Ergebnis, dass im Eilverfahren in der Regel vier rechtsanwaltlichen Vertretern (zwei Partner und zwei Associates zu deren Unterstützung), zwei patentanwaltlichen Vertreter sowie drei Vertretern der Mandantin Zugang einzuräumen ist, wobei dieser Personenkreis bei Bedarf um zwei Rechtsanwaltsfachangestellte erweitert werden kann. Dies unterliegt jedoch wiederum einer Einzelfallprüfung, da der Personenkreis gemäß R. 262.6 S. 1 VerfO den für die Einhaltung des Rechts der Verfahrensbeteiligten auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren notwendigen Umfang nicht überschreiten darf.

Auf den vorliegenden Fall angewandt stellt die Lokallkammer fest:

1). Den Patentanwälten der Antragstellerin ist kein Zugang zu gewähren, da die geschwärzten Informationen rein kommerzieller und nichttechnischer Natur sind.

2). Soweit die Antragstellerin Zugang für drei Partner und einen Associate der mandatierten Kanzlei beantragt, hat die Lokalkammer keine Bedenken. Eine Beschränkung des Zugangs auf solche Rechtsvertreter, die nicht an anhängigen und dasselbe Rechtsgebiet betreffenden Verfahren vor dem EPG beteiligt sind, würde die Antragstellerin unangemessen in der Wahl ihrer Rechtsvertreter einschränken. Zudem würden die Rechtsvertreter erheblich in ihrer Berufsausübung behindert, ohne dass dies durch überwiegende Interessen auf Antragsgegnerseite gerechtfertigt wäre. Hinreichender Schutz ist durch die Geheimhaltungsanordnung unter Androhung von Zwangsmitteln gewährleistet.

3). Im Übrigen ist der Zugang auf den im Hilfsantrag der Antragstellerin benannten Mitarbeiter bei der Antragstellerin zu beschränken, die nach Auskunft der Antragstellerin ihre patentrechtlichen Streitigkeiten maßgeblich koordiniert und die zentrale interne Person in der täglichen Bearbeitung der Prozessführung der Antragstellerin ist. Sowohl Art. 9 RiLi (EU) 2016/943 als auch R262a.6 VerfO sehen vor, dass mindestens einer natürlichen Person der Partei Zugang zu gewähren ist. Dass dieser Mitarbeiter möglicherweise an kommerziellen Entscheidungen der Antragstellerin beteiligt ist, ohne dass dies näher dargetan ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Geheimhaltungsanordnung unter Androhung von Zwangsgeldern bietet auch insoweit ausreichend Schutz. Entsprechend muss die Antragstellerin auch nicht nachweisen, dass sie Verfahren zum Schutz der geschwärzten Informationen implementiert hat. Die Anordnung einer Verpflichtung, fünf Jahre lang an keinen Lizenzverhandlungen im Bereich der patentgemäßen Lehre teilzunehmen, würde unverhältnismäßig in dessen Recht auf Berufsausübung eingreifen.

Kristin Jochheim & Charlotte George

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Leaders League Rankings 2024 – Kather Augenstein erneut als eine der führenden Rechtsanwaltskanzleien für Patent- und Markenstreitigkeiten ausgezeichnet

Bei den diesjährigen Leaders League Rankings 2024 wurde Kather Augenstein zum wiederholten Mal als eine der führenden Rechtsanwaltskanzleien im gewerblichen Rechtsschutz für Patent- und Markenstreitigkeiten ausgezeichnet.

Dabei wurde das Team von Kather Augenstein in der neuen Leaders League Rankingliste in der Kategorie Patentstreitigkeiten mit dem Prädikat „ausgezeichnet“ Tier 1 bewertet und darüber hinaus im Bereich Markenrechtstreitigkeiten mit dem Prädikat „sehr empfehlenswert“ ausgezeichnet.

Weitere Informationen zu unserem Team finden Sie hier.

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The Pharmaceutical Intellectual Property and Competition – Christopher Weber und Dr. Benjamin Pesch publizieren zu jüngsten Entwicklungen des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts des pharmazeutischen Sektor in Deutschland

Die Publikation „The Pharmaceutical Intellectual Property and Competition“ erscheint in diesem Jahr bereits in der 5. Ausgabe und bietet einen praktischen Überblick zu Fragen des pharmazeutlichen geistiges Eigentum, einschließlich der Verknüpfung von Patenten, Exklusivitätsrechten und damit verbundenen Wettbewerbsfragen.

Mit dem Fokus auf aktuellen Entwicklungen dient der Leitfaden als wertvolles Instrument zur Unterstützung des Managements globaler Risiken in diesem Bereich und analysiert zentrale rechtliche sowie regulatorischen Aspekte in den wichtigsten Rechtsordnungen weltweit.

Unser Autorenteam, Christopher Weber und Dr. Benjamin Pesch, hat in der aktuellen Ausgabe erneut das deutsche Kapitel verfasst, in dem die Grundsätze und die aktuellen Entwicklungen des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts im deutschen Arzneimittelsektor behandelt werden.

„The Pharmaceutical Intellectual Property and Competition“ erscheint in diesem Jahr auf der Plattform Lexology, der  exklusiven Plattform für alle The Law Reviews Publikationen.

Lesen Sie hier dazu auch das Vorwort des Herausgebers.

Für detaillierte Fragen stehen Ihnen Christoper Weber und Dr. Benjamin Pesch jederzeit gerne zur Verfügung.

 

 

 

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Berufungsgericht des EPG – Maßgebliche Umstände für die Änderung der Verfahrenssprache im Verfahren vor dem EPG

Berufungsgericht des EPG, Entscheidung vom 17.04.2024 – UPC CoA 101/2024 – 10x Genomics Inc. / Curio Bioscience Inc.

Das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts hat in seiner Entscheidung vom 17.04.2024 Richtlinien für einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache nach Art. 49 Abs. 5 EPGÜ, R. 323 VerfO festgelegt.

I. Sachverhalt

Die Parteien stehen sich in einem Eilverfahren vor der Lokalkammer Düsseldorf gegenüber. Beide Parteien haben ihren Sitz in den USA.  Die Antragsgegnerin wurde durch eine Kanzlei mit Sitz in London vertreten. Allerdings besitzt die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin ebenfalls eine deutsche Anwaltszulassung und beherrscht die deutsche Sprache. Die Antragsgegnerin behauptet, zu den KMU zu zählen.

Nach der mündlichen Verhandlung stellte die Antragsgegnerin einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache auf Englisch, den das Gericht erster Instanz ablehnte. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Antragsgegnerin mit der Berufung.

II. Entscheidung des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht hebt die Entscheidung des Gerichts erster Instanz auf.

Das Gericht stellt klar, dass bei einer Entscheidung über einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache sämtliche relevanten Umstände zu berücksichtigen seien, wobei sich diese in erster Linie auf den konkreten Fall und die Position der Parteien zu beziehen hätten.

Von besonderer Bedeutung ist insbesondere die Sprache des Patents, für die sich der Patentinhaber (hier: die Antragstellerin) bei Anmeldung des Patents entschieden hat. Hat sich der Patentinhaber für eine Sprache entschieden, muss er auch damit rechnen, in dieser Sprache ein Verfahren führen zu müssen.

Relevant ist weiter die Sprache des Technologiebereichs, also die Sprache, die auf dem Gebiet der Technik primär verwendet wird.

Schließlich stellt die Staatsangehörigkeit oder der Sitz der Parteien einen parteibezogenen relevanten Umstand dar. Eine Partei muss in der Lage sein, vollständig zu verstehen, was in ihrem Namen durch ihren Vertreter und von der Gegenseite vorgetragen wird.

Hingegen kommt es nicht auf die Sprachkenntnisse des Prozessbevollmächtigten einer Partei an. Auch die Nationalität der Richter ist kein relevanter Umstand.

Ist das Ergebnis der Abwägung der Interessen der Parteien gleich, ist die Position des Antragsgegners entscheidend.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht die Interessen der Berufungsklägerin an der Änderung der Verfahrenssprache höher gewichtet. Insbesondere wird die Berufungsklägerin stärker als die Berufungsbeklagte dadurch belastet, in einer anderen Sprache verhandeln zu müssen. Denn die Berufungsklägerin sei jedenfalls unstreitig kleiner als die Berufungsbeklagte.

III. Ausblick

Mit seiner Entscheidung legt das Berufungsgericht Richtlinien für einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache fest. Von Bedeutung sind hier insbesondere die Sprache des Patents und die Sprache des betroffenen Technologiebereichs.

Ist eine Partei der Sprache des Verfahrens nicht mächtig, so wird dieser Umstand nicht durch Sprachkenntnisse ihres Prozessbevollmächtigten kompensiert.

Es bleibt abzuwarten, ob die Verwendung der englischen Sprache in Verfahren vor dem EPG nach dieser Entscheidung zunehmen wird. Da europäische Patente häufig in englischer Sprache abgefasst sind, ist dies ein Gesichtspunkt, der hierfür sprechen dürfte. Nichtsdestotrotz ist dies nicht der einzig relevante Aspekt.

Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen der R. 14.2 VerfO grundsätzlich die Möglichkeit hat, die Sprache des Verfahrens zu bestimmen.

Marco Berlage

Aktuelle News.

Undercover auf der spoga+gafa 2023 – Kather Augenstein und Uexküll & Stolberg erstreiten positive Kostenentscheidung für Stiga

Einsatz auf Messe erfolgreich. Für unsere Mandantin Stiga S.p.A. konnten wir gegen Topsun Europe, wegen einer Verletzungshandlung auf der „spoga+gafa 2023 – die Garten-Lifestyle-Messe“ in Köln eine einstweilige Verfügung erwirken. Nach Erledigung wurde die Verletzung vom OLG Düsseldorf in einer positiven Kostenentscheidung bestätigt.

Patentverletzungen auf Messen sind immer etwas Besonderes. Sie haben den Vorteil, dass einstweiligen Verfügungen – soweit begründet – ex parte und kurzfristig ergehen. Die Zustellung und Vollstreckung kann zudem direkt am Messestand des Verletzers erfolgen. Allerdings kann die Verletzung, also das tatsächliche Anbieten, oftmals erst während der Messe selbst nachgewiesen werden. Ein Besuch am Messestand und schnelles Handeln ist unerlässlich. So wurden wir auch für unserer Mandantin Stiga gegen Topsun Europe, der tschechischen Tochtergesellschaft der chinesischen Zhejiang Zhongjian Technology Co. Ltd., auf der Koelnmesse tätig.

Stiga ist Gärtnern und Gartenliebhabern ein Begriff. Das Unternehmen mit Sitz im italienischen Castelfranco Veneto (TV) ist führender europäischer Hersteller und Händler von Gartenmaschinen und -geräten und europäischer Marktführer in der Kategorie Aufsitzmaschinen. Stiga ist Inhaberin einer Vielzahl von Schutzrechten, dazu zählt auch das europäische Patent EP 2 193 703 B1 (EP 703).

Rasentraktoren müssen nach DIN-Normen eine Vorrichtung aufweisen, die die Anwesenheit des Fahrers überprüft und den Motor bei Verlassen des Fahrersitzes innerhalb der vorgeschriebenen Raum-Zeit-Grenze zum Stillstand bringt. Das EP 703 hat eine solche Sicherheitsvorrichtung zum Gegenstand, die keine Einstellung erfordert und den korrekten Betrieb des Traktors bei Steigungen oder in unwegsamen Gelände gewährleistet.

Stiga hatte im Vorfeld der Messe bereits Modelle aus der „TOPSUN Series“ von Zhejiang Zhongjian Technology geprüft und bei vier von ihnen eine Verletzung festgestellt. Es waren jedoch bislang noch keine geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland bekannt. Unsere Mandantin beauftragte uns daher damit, den Messeauftritt auf mögliche Verletzungen zu überprüfen und Stigas Rechte geltend zu machen. Unser Besuch beim Messestand von Topsun Europe unmittelbar nach der Eröffnung der Messe am Sonntag brachte Gewissheit – ein verletzender Rasentraktor wurde dort ausgestellt, alle verletzenden Modelle waren in einem Katalog abgebildet, den ein Standmitarbeiter auf Nachfrage zeigte. Noch am gleichen Tag konnte eine Abmahnung durchgeführt werden, die Voraussetzung für die folgenden Maßnahmen war.

Die von uns am Folgetag beantragte einstweilige Verfügung erließ das LG Düsseldorf noch am selben Tag. Die Vollstreckung folgte am Morgen des dritten Messetags, nur knapp 48 Stunden nach Eröffnung der Messe. Topsun Europe musste das ausgestellte Modell und die Kataloge vom Stand entfernen sowie an einen Werbebanner einen Hinweis anbringen.

Die Verfügung wurde erstinstanzlich nach Widerspruch und mündlicher Verhandlung bestätigt. Die Topsun Europe wurde liquidiert und aus dem tschechischen Handelsregister gelöscht. Die Parteien haben daher das Verfahren in der Berufung übereinstimmend für erledigt erklärt und stritten nur noch über die Kosten. Auch diese Entscheidung fiel zu Gunsten unserer Mandantin aus. Das OLG Düsseldorf zeigte sich in einer ausführlichen und wohlbegründeten Entscheidung davon überzeugt, dass die angegriffenen Rasentraktoren das Verfügungspatent verletzen und Topsun Europe daher die Kosten aufzuerlegen seien.

Nur am Rande sei erwähnt, dass beide Instanzen keine Zweifel am Rechtsbestand des EP 703 hatten. Dies ist deshalb bemerkenswert, da die deutschen Gerichte den Rechtsbestand grundsätzlich nur dann als hinreichend gesichert ansehen, wenn bereits eine erstinstanzliche kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung ergangen ist. Dies ist bislang jedoch nicht der Fall.

Endgültig wird erst das BPatG über den Rechtsbestand entscheiden. Zhejiang Zhongjian Technology hat im Oktober 2023 eine Nichtigkeitsklage eingereicht, deren Entscheidung noch aussteht. Nach dem bisherigen Verlauf sind wir jedoch optimistisch, dass auch diese Entscheidung zu Gunsten von Stiga ausgehen wird. Stiga wehrt sich auch weiterhin gegen den Vertrieb der verletzenden Produkte von Zhejiang Zhongjian Technology in Europa. Sie führt gegen diese zur Zeit wegen der Verletzung des EP 703 und zweier weiterer Patente ein weiteres Verfahren vor dem Turiner Tribunal.

In dem Verfahren wurde unsere Mandantin von Herrn Patentanwalt Lars Manke von Uexküll & Stolberg unterstützt. Von Kather Augenstein stritten Christopher Weber und Sophie Prudent für Stiga.