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The Pharmaceutical Intellectual Property and Competition – Christopher Weber und Dr. Benjamin Pesch publizieren zu jüngsten Entwicklungen des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts des pharmazeutischen Sektor in Deutschland
Die Publikation „The Pharmaceutical Intellectual Property and Competition“ erscheint in diesem Jahr bereits in der 5. Ausgabe und bietet einen praktischen Überblick zu Fragen des pharmazeutlichen geistiges Eigentum, einschließlich der Verknüpfung von Patenten, Exklusivitätsrechten und damit verbundenen Wettbewerbsfragen.
Mit dem Fokus auf aktuellen Entwicklungen dient der Leitfaden als wertvolles Instrument zur Unterstützung des Managements globaler Risiken in diesem Bereich und analysiert zentrale rechtliche sowie regulatorischen Aspekte in den wichtigsten Rechtsordnungen weltweit.
Unser Autorenteam, Christopher Weber und Dr. Benjamin Pesch, hat in der aktuellen Ausgabe erneut das deutsche Kapitel verfasst, in dem die Grundsätze und die aktuellen Entwicklungen des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrechts im deutschen Arzneimittelsektor behandelt werden.
„The Pharmaceutical Intellectual Property and Competition“ erscheint in diesem Jahr auf der Plattform Lexology, der exklusiven Plattform für alle The Law Reviews Publikationen.
Lesen Sie hier dazu auch das Vorwort des Herausgebers.
Für detaillierte Fragen stehen Ihnen Christoper Weber und Dr. Benjamin Pesch jederzeit gerne zur Verfügung.

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Berufungsgericht des EPG – Maßgebliche Umstände für die Änderung der Verfahrenssprache im Verfahren vor dem EPG
Berufungsgericht des EPG, Entscheidung vom 17.04.2024 – UPC CoA 101/2024 – 10x Genomics Inc. / Curio Bioscience Inc.
Das Berufungsgericht des Einheitlichen Patentgerichts hat in seiner Entscheidung vom 17.04.2024 Richtlinien für einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache nach Art. 49 Abs. 5 EPGÜ, R. 323 VerfO festgelegt.
I. Sachverhalt
Die Parteien stehen sich in einem Eilverfahren vor der Lokalkammer Düsseldorf gegenüber. Beide Parteien haben ihren Sitz in den USA. Die Antragsgegnerin wurde durch eine Kanzlei mit Sitz in London vertreten. Allerdings besitzt die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin ebenfalls eine deutsche Anwaltszulassung und beherrscht die deutsche Sprache. Die Antragsgegnerin behauptet, zu den KMU zu zählen.
Nach der mündlichen Verhandlung stellte die Antragsgegnerin einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache auf Englisch, den das Gericht erster Instanz ablehnte. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Antragsgegnerin mit der Berufung.
II. Entscheidung des Berufungsgerichts
Das Berufungsgericht hebt die Entscheidung des Gerichts erster Instanz auf.
Das Gericht stellt klar, dass bei einer Entscheidung über einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache sämtliche relevanten Umstände zu berücksichtigen seien, wobei sich diese in erster Linie auf den konkreten Fall und die Position der Parteien zu beziehen hätten.
Von besonderer Bedeutung ist insbesondere die Sprache des Patents, für die sich der Patentinhaber (hier: die Antragstellerin) bei Anmeldung des Patents entschieden hat. Hat sich der Patentinhaber für eine Sprache entschieden, muss er auch damit rechnen, in dieser Sprache ein Verfahren führen zu müssen.
Relevant ist weiter die Sprache des Technologiebereichs, also die Sprache, die auf dem Gebiet der Technik primär verwendet wird.
Schließlich stellt die Staatsangehörigkeit oder der Sitz der Parteien einen parteibezogenen relevanten Umstand dar. Eine Partei muss in der Lage sein, vollständig zu verstehen, was in ihrem Namen durch ihren Vertreter und von der Gegenseite vorgetragen wird.
Hingegen kommt es nicht auf die Sprachkenntnisse des Prozessbevollmächtigten einer Partei an. Auch die Nationalität der Richter ist kein relevanter Umstand.
Ist das Ergebnis der Abwägung der Interessen der Parteien gleich, ist die Position des Antragsgegners entscheidend.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht die Interessen der Berufungsklägerin an der Änderung der Verfahrenssprache höher gewichtet. Insbesondere wird die Berufungsklägerin stärker als die Berufungsbeklagte dadurch belastet, in einer anderen Sprache verhandeln zu müssen. Denn die Berufungsklägerin sei jedenfalls unstreitig kleiner als die Berufungsbeklagte.
III. Ausblick
Mit seiner Entscheidung legt das Berufungsgericht Richtlinien für einen Antrag auf Änderung der Verfahrenssprache fest. Von Bedeutung sind hier insbesondere die Sprache des Patents und die Sprache des betroffenen Technologiebereichs.
Ist eine Partei der Sprache des Verfahrens nicht mächtig, so wird dieser Umstand nicht durch Sprachkenntnisse ihres Prozessbevollmächtigten kompensiert.
Es bleibt abzuwarten, ob die Verwendung der englischen Sprache in Verfahren vor dem EPG nach dieser Entscheidung zunehmen wird. Da europäische Patente häufig in englischer Sprache abgefasst sind, ist dies ein Gesichtspunkt, der hierfür sprechen dürfte. Nichtsdestotrotz ist dies nicht der einzig relevante Aspekt.
Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen der R. 14.2 VerfO grundsätzlich die Möglichkeit hat, die Sprache des Verfahrens zu bestimmen.

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Undercover auf der spoga+gafa 2023 – Kather Augenstein und Uexküll & Stolberg erstreiten positive Kostenentscheidung für Stiga
Einsatz auf Messe erfolgreich. Für unsere Mandantin Stiga S.p.A. konnten wir gegen Topsun Europe, wegen einer Verletzungshandlung auf der „spoga+gafa 2023 – die Garten-Lifestyle-Messe“ in Köln eine einstweilige Verfügung erwirken. Nach Erledigung wurde die Verletzung vom OLG Düsseldorf in einer positiven Kostenentscheidung bestätigt.
Patentverletzungen auf Messen sind immer etwas Besonderes. Sie haben den Vorteil, dass einstweiligen Verfügungen – soweit begründet – ex parte und kurzfristig ergehen. Die Zustellung und Vollstreckung kann zudem direkt am Messestand des Verletzers erfolgen. Allerdings kann die Verletzung, also das tatsächliche Anbieten, oftmals erst während der Messe selbst nachgewiesen werden. Ein Besuch am Messestand und schnelles Handeln ist unerlässlich. So wurden wir auch für unserer Mandantin Stiga gegen Topsun Europe, der tschechischen Tochtergesellschaft der chinesischen Zhejiang Zhongjian Technology Co. Ltd., auf der Koelnmesse tätig.
Stiga ist Gärtnern und Gartenliebhabern ein Begriff. Das Unternehmen mit Sitz im italienischen Castelfranco Veneto (TV) ist führender europäischer Hersteller und Händler von Gartenmaschinen und -geräten und europäischer Marktführer in der Kategorie Aufsitzmaschinen. Stiga ist Inhaberin einer Vielzahl von Schutzrechten, dazu zählt auch das europäische Patent EP 2 193 703 B1 (EP 703).
Rasentraktoren müssen nach DIN-Normen eine Vorrichtung aufweisen, die die Anwesenheit des Fahrers überprüft und den Motor bei Verlassen des Fahrersitzes innerhalb der vorgeschriebenen Raum-Zeit-Grenze zum Stillstand bringt. Das EP 703 hat eine solche Sicherheitsvorrichtung zum Gegenstand, die keine Einstellung erfordert und den korrekten Betrieb des Traktors bei Steigungen oder in unwegsamen Gelände gewährleistet.
Stiga hatte im Vorfeld der Messe bereits Modelle aus der „TOPSUN Series“ von Zhejiang Zhongjian Technology geprüft und bei vier von ihnen eine Verletzung festgestellt. Es waren jedoch bislang noch keine geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland bekannt. Unsere Mandantin beauftragte uns daher damit, den Messeauftritt auf mögliche Verletzungen zu überprüfen und Stigas Rechte geltend zu machen. Unser Besuch beim Messestand von Topsun Europe unmittelbar nach der Eröffnung der Messe am Sonntag brachte Gewissheit – ein verletzender Rasentraktor wurde dort ausgestellt, alle verletzenden Modelle waren in einem Katalog abgebildet, den ein Standmitarbeiter auf Nachfrage zeigte. Noch am gleichen Tag konnte eine Abmahnung durchgeführt werden, die Voraussetzung für die folgenden Maßnahmen war.
Die von uns am Folgetag beantragte einstweilige Verfügung erließ das LG Düsseldorf noch am selben Tag. Die Vollstreckung folgte am Morgen des dritten Messetags, nur knapp 48 Stunden nach Eröffnung der Messe. Topsun Europe musste das ausgestellte Modell und die Kataloge vom Stand entfernen sowie an einen Werbebanner einen Hinweis anbringen.
Die Verfügung wurde erstinstanzlich nach Widerspruch und mündlicher Verhandlung bestätigt. Die Topsun Europe wurde liquidiert und aus dem tschechischen Handelsregister gelöscht. Die Parteien haben daher das Verfahren in der Berufung übereinstimmend für erledigt erklärt und stritten nur noch über die Kosten. Auch diese Entscheidung fiel zu Gunsten unserer Mandantin aus. Das OLG Düsseldorf zeigte sich in einer ausführlichen und wohlbegründeten Entscheidung davon überzeugt, dass die angegriffenen Rasentraktoren das Verfügungspatent verletzen und Topsun Europe daher die Kosten aufzuerlegen seien.
Nur am Rande sei erwähnt, dass beide Instanzen keine Zweifel am Rechtsbestand des EP 703 hatten. Dies ist deshalb bemerkenswert, da die deutschen Gerichte den Rechtsbestand grundsätzlich nur dann als hinreichend gesichert ansehen, wenn bereits eine erstinstanzliche kontradiktorische Rechtsbestandsentscheidung ergangen ist. Dies ist bislang jedoch nicht der Fall.
Endgültig wird erst das BPatG über den Rechtsbestand entscheiden. Zhejiang Zhongjian Technology hat im Oktober 2023 eine Nichtigkeitsklage eingereicht, deren Entscheidung noch aussteht. Nach dem bisherigen Verlauf sind wir jedoch optimistisch, dass auch diese Entscheidung zu Gunsten von Stiga ausgehen wird. Stiga wehrt sich auch weiterhin gegen den Vertrieb der verletzenden Produkte von Zhejiang Zhongjian Technology in Europa. Sie führt gegen diese zur Zeit wegen der Verletzung des EP 703 und zweier weiterer Patente ein weiteres Verfahren vor dem Turiner Tribunal.
In dem Verfahren wurde unsere Mandantin von Herrn Patentanwalt Lars Manke von Uexküll & Stolberg unterstützt. Von Kather Augenstein stritten Christopher Weber und Sophie Prudent für Stiga.

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The Legal 500 Deutschland Ranking 2024 – Kather Augenstein erneut als eine der führenden Kanzleien für Patentstreitigkeiten im Bereich gewerblicher Rechtsschutz ausgezeichnet
Das renommierte The Legal 500 Deutschland Ranking 2024 hat erneut das Team von Kather Augenstein als eine der führenden IP-Boutique-Kanzleien für Patentstreitigkeiten im Bereich gewerblicher Rechtsschutz ausgezeichnet.
Diese Anerkennung basiert auf dem Feedback von Mandanten, Fachkollegen und Mitstreitern und unterstreicht unsere kontinuierlich hervorragende Leistung und Expertise.
Managing Partner Miriam Kiefer LL.M., die das Expertenteam leitet und die nationalen und internationalen Streitigkeiten koordiniert, wird erneut für ihre hervorragende Anwaltsarbeit besonders hervorgehoben. Sören Dahm wird als essentieller Teil des Partner Kernteams besonders empfohlen für seine Vertretung von Mandanten in marken-, design- und wettbewerbsrechtlichen Verfahren.
Dr. Christof Augenstein und Christopher Weber werden beide erneut im exklusiven Kreis der führenden Namen für Patentverletzungsverfahren und wettbewerbsrechtliche Verfahren ausgezeichnet. Wir sind stolz darauf, dass Senior Partner Dr. Peter Kather im Jahr 2022 in die Hall of Fame aufgenommen wurde und auch dieses Jahr wieder in dieser besonderen Kategorie bestätigt wird.
Ein herzliches Dankeschön an unsere Mandanten, Fachkollegen und Konkurrenten für ihr entgegengebrachtes Vertrauen!
Für weitere Details zum ausführlichen Rankingergebnis klicken Sie bitte hier.

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OLG Düsseldorf (Glatirameracetat) – Verschulden bei Vollziehung einer einstweiligen Verfügung aus einem später widerrufenen Patent
Das OLG Düsseldorf hat sich in seinem Urteil vom 12.10.2023 mit der Frage beschäftigt, ob den Patentinhaber nach Vollziehung einer einstweiligen Verfügung ein Verschulden trifft, wenn das Patent später widerrufen wird.
1. Sachverhalt
In dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf ging es um den Schadensersatzanspruch eines Generikaunternehmens aus § 945 ZPO, welches durch eine einstweilige Verfügung vom Markt ferngehalten wurde.
Zunächst wurde das Verfügungspatent der Beklagten erstinstanzlich von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten. Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die Beklagte erwirkte sodann eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin, welche sie auch vollstreckte.
Nach Widerruf des Verfügungspatents erhob die Klägerin Klage zum Landgericht Düsseldorf. Mit Urteil vom 29.09.2022 (Az 4c O 48/21) erkannte das Landgericht Düsseldorf auf einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 945 ZPO.
2. Entscheidung des OLG Düsseldorf
In der Berufung setzte sich das OLG Düsseldorf mit der Frage auseinander, ob die Beklagte ein Verschulden treffe, weil diese eine einstweilige Verfügung aus einem später widerrufenen Patent erwirkt und vollstreckt hatte.
Zwar ist der Anspruch aus § 945 ZPO verschuldensunabhängig und als Risikohaftung ausgestaltet. Das OLG begegnete so jedoch etwaigen Bedenken in Hinblick auf die Konformität der starren Risikohaftung des § 945 ZPO mit der Enforcement-Richtlinie.
Nach Auffassung des OLG habe die Beklagte fahrlässig gehandelt, weil sie bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass ein Widerruf des Verfügungspatents möglich und erwartbar ist. Auf den Bestand einer erstinstanzlichen Rechtsbestandsentscheidung dürfe der Patentinhaber lediglich dann vertrauen, wenn eine spätere Abänderung dieser nicht vorhersehbar war. Das gelte insbesondere dann, wenn sich die Rechtsprechung überraschend geändert habe.
Wer bei einem laufenden Rechtsbestandsangriff, auch wenn dieser in der ersten Instanz erfolglos war, eine einstweilige Verfügung erwirke und vollziehe, handele bewusst auf eigenes Risiko, dass sich diese später als von Anfang an ungerechtfertigt erweisen kann.
3. Fazit
Traditionell bereitet der Nachweis des Verschuldens bei unberechtigter Schutzrechtsverwarnung Schwierigkeiten. Zudem sind die Voraussetzungen für das Verschulden in diesen Fällen hoch. Grundsätzlich darf auf den Bestand des Patents vertraut werden, wenn der Patentinhaber keinen Wissensvorsprung gegenüber der Erteilungsbehörde hat oder ihn nicht besondere Sorgfaltspflichten treffen.
Das OLG Düsseldorf setzt jedoch nunmehr die Hürden für ein Verschulden des Patentinhabers herab, der unberechtigt aus seinem Patent vorgeht. Der Patentinhaber kann aus einem erstinstanzlich aufrechterhaltenen Patent vorgehen. Er darf jedoch nicht auf den Bestand dieser Entscheidung vertrauen, sondern muss vielmehr mit der Möglichkeit eines Widerrufs rechnen.

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EPG zum Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln
Die Zentralkammer München hat zwei Anträge gemäß Regel 262.1 (b) Verfahrensordnung zurückgewiesen, mit denen Zugang zum Inhalt der Gerichtsakten von zwei Nichtigkeitsklagen beantragt wurde.
Das Gericht stellte fest, dass ein „begründeter Antrag“ einen konkreten und überprüfbaren legitimen Grund erfordert, der gegen das Interesse der Partei an der Verweigerung des Zugangs abgewogen werden kann.
Die nordisch-baltische Regionalkammer stellte demgegenüber fest, dass ein „begründeter Antrag“ nur voraussetzt, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller glaubhaft begründet, warum sie oder er Zugang zu den Schriftsätzen oder Beweismitteln wünscht.
I. Zentralkammer München: Wunsch, sich eine Meinung über den Rechtsbestand zu bilden, ist kein legitimer Grund
Der erste Beschluss erging am 20. September 2023 (Aktenzeichen CFI 1/2023). Der Antragsteller beantragte vollständigen Zugang zum Inhalt des Registers, einschließlich aller Schriftsätze und Beweismittel, die im Rahmen einer Nichtigkeitsklage eingereicht wurden. Der Antragsteller gab lediglich an, dass das streitgegenständliche Patent und seine Rechtsbeständigkeit für eine seiner Mandantinnen von Interesse sei. Die Parteien des Ausgangsverfahrens wurden zur Stellungnahme aufgefordert, wobei die klagende Partei vorbrachte, dass es nicht möglich sei zu beurteilen, ob tatsächlich ein Grund für die Gewährung des Zugangs bestehe, da die Mandantin des Antragstellers anonym bleibe. Daraufhin beantragte der Antragsteller die Einsichtnahme ausschließlich in seinem eigenen Namen. Als Grund für den Antrag gab er nun an, dass er sich eine Meinung über den Rechtsbestand des Patents bilden wolle.
Der Berichterstatter lehnte den Antrag ab, da er der Meinung war, dass der Antragsteller keinen berechtigten Grund für den Zugang zum Register aufzeigen konnte. Dies ist insofern interessant, als in R. 262.1 (b) der Verfahrensordnung lediglich von einem „begründeten Antrag“ die Rede ist und somit nicht ausdrücklich ein legitimer Grund verlangt wird. Der Berichterstatter kommt hingegen zu dem Schluss, dass nicht beabsichtigt war, ein „Standard“-Recht auf Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln zu schaffen. Er begründet dies mit dem Wortlaut der Vorschrift, der klar zwischen Entscheidungen und Anordnungen unterscheidet, die zu veröffentlichen sind, während Schriftsätze und Beweismittel nur auf begründeten Antrag hin zugänglich sind, sowie mit dem Aufbau und der Geschichte der Vorschrift. Hiernach kommt der Berichterstatter zu dem Schluss, dass Gründe angegeben werden müssen, die ein Abweichen von der Standardsituation rechtfertigen, in der Dritte lediglich das Register einsehen und das Vorhandensein von Dokumenten zur Kenntnis nehmen können, nicht aber deren Inhalt.
Das Gericht „kommt daher zu dem Schluss, dass R. 262.1 (b) der Verfahrensordnung einen konkreten und überprüfbaren legitimen Grund für den Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln auf Antrag eines Mitglieds der Öffentlichkeit erfordert“.
In dem entschiedenen Fall hat der Antragsteller diesen erforderlichen Grund nicht dargelegt. Er hatte argumentiert, dass er sich eine Meinung über den Rechtsbestand des Patents bilden wolle und dass dies für ihn als Mitglied der Öffentlichkeit und als Patentanwalt von persönlichem und beruflichem Interesse sei. Der Berichterstatter stellt fest, dass dieser Wunsch nicht als hinreichend konkreter, legitimer Grund dienen kann. Dem Antrag fehlte es daher nicht nur an konkreten und überprüfbaren Informationen, sondern das Gericht sah zudem keinen Grund, warum der Zugang zu den Schriftsätzen und Beweismitteln nützlich oder notwendig sein sollte, um sich eine Meinung über das Patent zu bilden. Der Berichterstatter verweist den Antragsteller entsprechend auf das Studium des Patents und der öffentlichen Dokumente des Erteilungsverfahrens sowie des Stands der Technik.
II. Zentralkammer München: Wunsch nach Information zu Zwecken der Aus- und Fortbildung ist kein legitimer Grund
Das Gericht entschied in einer anderen Sache ähnlich. Dieser zweite Beschluss erging am 21. September 2023 (Aktenzeichen CFI 75/2023). Die antragstellende Partei bat um Kopien der Nichtigkeitsklage und des Zustellungsschreibens an die Patentinhaberin in einem weiteren Nichtigkeitsverfahren. Hier machte der Antragsteller geltend, dass er zu Zwecken der Aus- und Weiterbildung über das Verfahren vor dem UPC informiert werden wolle. Nachdem er zur Stellungnahme aufgefordert worden war, machte die Klägerin in der Hauptsache geltend, dass es einem Dritten nicht gestattet werden dürfe, die „sorgfältig erstellten Schriftsätze (die mit einem nicht unerheblichen Kostenaufwand erstellt wurden)“ zu verwenden, um seine eigenen Interessen zu fördern.
Auch hier verweist der Berichterstatter auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Regel und kommt zu dem Schluss, dass ein Antrag auf Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln gemäß R. 262.1 (b) der Verfahrensordnung die Gründe für den Zugang an sich betreffen muss. Der Berichterstatter stellt fest, dass der begründete Antrag die Grundlage für die Entscheidung nach Anhörung der Parteien bildet und dass auf der Grundlage aller Tatsachen und Umstände zu beurteilen ist, ob tatsächlich ein legitimer Grund vorliegt.
In diesem Fall konnte das Gericht keinen legitimen Grund feststellen, da der Antragsteller keine konkreten und überprüfbaren Informationen vorgetragen hatte. Abgesehen davon sah das Gericht keinen Grund, warum die angeforderten Dokumente für diesen Zweck nützlich oder notwendig sein sollten, da der Antragsteller schließlich die Beschlüsse und Entscheidungen des Gerichts lesen konnte. Der Berichterstatter stellte entsprechend fest, dass der angeführte Grund nicht ausreichend konkret und überprüfbar war, so dass der Berichterstatter nicht einmal in der Lage war, diesen Grund gegen das (kommerzielle) Interesse der Klägerin an der Verweigerung des Zugangs abzuwägen.
Schließlich stellte das Gericht klar, dass es ungeachtet des Fehlens eines legitimen Grundes keine Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Kopie des Zustellungsschreibens gibt, da es sich weder um „Schriftsätze“ noch um „Beweismittel“ im Sinne von R. 262.1 (b) der Verfahrensordnung handelt.
III. Nordisch-Baltische Regionalkammer: Glaubwürdige Erklärung ist ausreichend
Die nordisch-baltische Regionalkammer hatte ebenfalls über einen Antrag nach R. 262.1(b) der Verfahrensordnung zu entscheiden. Dieser Beschluss ist datiert auf den 17. Oktober 2023 (Aktenzeichen CFI 11/2023). Hier hatte der Antragsteller Zugang zu Dokumenten in einem Verletzungsverfahren beantragt, das zurückgenommen wurde, noch bevor allen Beklagten die Klageschrift zugestellt worden war.
Der Berichterstatter würdigte die Entscheidungen der Zentralkammer München, stellte jedoch fest, dass nach Ansicht der nordisch-baltischen Regionalkammer das schriftliche Verfahren grundsätzlich öffentlich ist, sofern das Gericht nicht beschließt, es vertraulich zu behandeln. Daher kam der Berichterstatter zu dem Schluss, dass ein „begründeter Antrag“ im Sinne von R. 262.1(b) der Verfahrensordnung so zu verstehen ist, dass die den Antrag stellende Partei eine glaubwürdige Erklärung abgeben muss, warum er oder sie Zugang wünscht. Diese Informationen könnten dann bei der Entscheidung, ob eine vertrauliche Behandlung der Informationen erforderlich ist, von Bedeutung sein.
Der Antragsteller hatte erklärt, er sei daran interessiert, zu sehen, wie die Klage formuliert sei, zumal sie parallel zu weiteren Klagen in anderen Kammern eingereicht worden sei. Diese Erklärung war nach Ansicht der nordisch-baltischen Regionalkammer ausreichend.
IV. Zulassung zur Berufung
Es sei darauf hingewiesen, dass das Gericht in allen Beschlüssen erklärt hat, dass eine klare und einheitliche Auslegung des Begriffs „begründeter Antrag“ und die einheitliche Anwendung von R. 262.1 (b) der Verfahrensordnung besonders wichtig sind. Daher hat das Gericht die Berufung gegen die Beschlüsse zugelassen. Die nordisch-baltische Regionalkammer ordnete zudem den Zugang zur Klageschrift erst für den 7. November 2023 an. Damit sollte dem Antragsteller ausreichend Zeit gegeben werden, um Rechtsmittel einzulegen und die aufschiebende Wirkung zu beantragen.
Das EPG muss in den ersten Monaten seiner Tätigkeit seine Rechtsprechung zu vielen kleineren und größeren Fragen finden und festigen. Die Anwendung von R.262.1 (b) der Verfahrensordnung mag eine dieser kleineren Fragen sein, sie betrifft jedoch die sehr wichtige Frage des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Gerichtsakten des EPG. Es sollte Beachtung finden, dass das Gericht die unterschiedlichen Meinungen zu R. 262.1 (b) der Verfahrensordnung wahrgenommen hat und daher die Berufung zugelassen hat. Es ist zu erwarten, dass das Berufungsgericht in den kommenden Monaten eine Entscheidung zu dieser Frage treffen wird.

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OLG Düsseldorf (Infusionsvorrichtung II) – Kein Mitverschulden der Klägerin
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte mit Urteil vom 13.07.2023 (Az. 2 U 79/22) die Frage zu entscheiden, ob ein Schadensersatzanspruch wegen Patentverletzung aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerin wegfallen kann.
1. Sachverhalt
Die Klägerin hatte gegen eine der Beklagten bereits einen ersten Patentverletzungsprozess aus dem Klagepatent A geführt. Dieses Verfahren bezog sich auf die erste Generation der Insulinpumpen, welche eine der Beklagten bereits seit 2016 auf dem deutschen Markt vertrieben hatte. Mit Urteil vom 13.08.2020 (Az. 4c O 20/19) hatte das Landgericht Düsseldorf eine der Beklagten wegen Patentverletzung verurteilt. Die Beklagte hatte das Urteil nicht mit der Berufung angegriffen. Das Urteil ist daher mit Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden.
Daraufhin hat die Beklagte die Insulinpumpen der ersten Generation erheblich abgewandelt und diese im Oktober 2020 u.a. in Deutschland auf den Markt gebracht (zweite Generation). Im Zuge dessen hat sie zudem ihre Vertriebsstruktur geändert.
Gegen diese zweite Generation der Insulinpumpen hat die Klägerin aus dem Klagepatent B erneut Klage vor dem Landgericht Düsseldorf erhoben. Diese Klage richtete sich u.a. gegen die Beklagte aus dem ersten Prozess. Das Landgericht Düsseldorf hat die Beklagten mit Urteil vom 26.04.2022 (Az. 4c O 26/21) wegen Patentverletzung verurteilt, weil die Insulinpumpen der zweiten Generation von dem Klagepatent B Gebrauch machen.
Dagegen haben die Beklagten Berufung eingelegt. Die Beklagten argumentieren u.a., dass die Klägerin ein Mitverschulden trifft und deswegen der Schadensersatzanspruch vollständig weggefallen sei. Die Klägerin hätte das Klagepatent B bereits gegen die Insulinpumpen der ersten Generation geltend machen können. Dann wäre der Klägerin eine das Klagepatent B verletzende Abwandlung (Insulinpumpe der zweiten Generation) und eine deswegen erfolgte Verletzungshandlung erspart geblieben.
2. Entscheidung des OLG Düsseldorf
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Der Klägerin falle kein Mitverschulden zur Last. Es sei keine Obliegenheit eines Patentinhabers, den Verletzen von weiteren Verletzungshandlungen gegen andere Patente des Patentinhabers abzuhalten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Patentinhaber keinen besonderen Vertrauenssachverhalt beispielsweise durch einen vorgerichtlichen Schriftverkehr oder dergleichen begründet hat. Wenn ein solcher besonderer Vertrauenssachverhalt fehlt, dann steht es in allein in der Verantwortung des Verletzers, sicherzustellen, dass durch seine Handlungen keine Schutzrechte anderer verletzt werden. Es ist daher die Pflicht des Verletzers, die relevanten Schutzrechte Dritter zu recherchieren.
Zudem hat das Oberlandesgericht Düsseldorf ausgeführt, dass selbst in dem Fall, in dem ein solcher Vertrauenssachverhalt angenommen werden kann, das Verschulden des Patentverletzers keinesfalls vollständig ausgeräumt werden kann. Es sei schließlich vordringlich die Sache des Wettbewerbers, sich nach fremden Schutzrechte zu vergewissern.
3. Praxishinweis
Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zeigt eindrucksvoll auf, dass bei der Beratung zu Umgehungslösungen eine ausschließliche Betrachtung des in Streit stehenden Schutzrechts zu kurz gegriffen ist. Ein besonderes Augenmerk sollte man in jedem Fall auf die weiteren Familienmitglieder des Klagepatents werfen.
Im Idealfall sollte der Verletzer eine umfassende Prüfung aller in Betracht kommender Schutzrechte (FTO-Recherche) in Bezug auf die Abwandlungsform durchführen. Andernfalls kann es sein, dass die Abwandlungsform ggf. sogar von Patenten eines anderen Wettbewerbers Gebrauch macht, was zu einer weiteren kostenintensiven Auseinandersetzung mit einem weiteren Wettbewerber führen könnte.

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Juve Patent Ranking Germany 2023: Kather Augenstein erneut unter den Top IP Kanzleien und führenden IP Spezialisten in Deutschland
Wir freuen uns sehr, dass Kather Augenstein auch in diesem Jahr in der aktuellen Ausgabe des vielbeachteten JUVE Patent Ranking Germany 2023 die Platzierung der vergangenen Jahre verteidigen konnte.
Nach wie vor wurde Kather Augenstein in der Kategorie Patentstreitigkeiten – Rechtsanwälte mit vier Sternen in der zweithöchsten Bewertung ausgezeichnet.
Neben der Stärke für Prozessführung innerhalb eines breiten Branchenspektrums unterstreicht JUVE Patent in seiner diesjährigen Bewertung erneut die europäische Ausrichtung unserer Boutique-Kanzlei bei der Vertretung unserer Mandanten vor dem Einheitlichen Patentgericht. Die vollständige Analyse lesen Sie hier.
Darüber hinaus freut es uns ganz besonders, dass in diesem Jahr gleich drei unserer Rechtsanwälte unter den führenden Persönlichkeiten im Bereich Patentstreitigkeiten – Rechtsanwälte vertreten sind: Neben unserem Senior Partner Dr. Peter Kather wurde in diesem Jahr zusätzlich Dr. Christof Augenstein als führender Berater besonders hervorgehoben. Christopher Weber ist zum dritten Mal in Folge unter Deutschlands führenden Prozessanwälten im Patentrecht gelistet.
Ein großer Dank gilt unseren Mandanten und Mitstreitern, die gleich vier unserer Partner und IP Spezialisten besonderes Lob aussprechen. So wird Dr. Peter Kather als „sehr mandantenorientiert mit perfekter Strategie- und Verfahrensberatung“ beschrieben, während Christof Augenstein von einem Mandanten als „kreativ, pragmatisch und reaktionsschnell“ bewertet wird, „es ist ein wahres Vergnügen der Zusammenarbeit“. Gleiches Lob erhalten Miriam Kiefer und Christopher Weber, zudem wird beiden ihr „technisch sehr gutes Verständnis“ besonders hervorgehoben.
„Die ausgezeichnete Bewertung unserer Kanzlei ist nie das Ergebnis einer einzelnen Person, sondern die unseres gesamten Teams. Ein großes Dankeschön gilt daher dem hervorragende Team von Kather Augenstein, das diesen Erfolg möglich gemacht hat“, so unser Managing Partner Miriam Kiefer.

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BGH, Urteil v. 20.06.2023 – X ZR 61/21 – Faserstoffbahn
Wann sind die Grenzen des Vorbenutzungsrechts überschritten, wenn eine Modifikation verwendet wird? Mit dieser Frage hat sich der 10. Zivilsenat in der Entscheidung Faserstoffbahn auseinandergesetzt.
I. Sachverhalt
Das Verletzungsverfahren hatte eine Slipeinlage der Beklagten (zunächst angegriffene Ausführungsform I) zum Gegenstand. Das LG Düsseldorf hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. In der Berufungsinstanz vor dem OLG Düsseldorf beschränkte der Kläger die Klage auf die Ausführungsform II, die erstmals superabsorbierende Stoffe (SAP) aufwies, wobei er eine Kombination aus Haupt- und Unteransprüchen geltend machte.
Das OLG Düsseldorf hat das geltend gemachte Vorbenutzungsrecht verneint und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die vorbenutzte Slipeinlage unstreitig keine SAP aufgewiesen habe. Der Vorbenutzer sei jedoch auf die Nutzung desjenigen Besitzstands beschränkt, den er vor dem Anmelde- bzw. Prioritätstag genutzt habe. Folglich sei schon kein geschützter Besitzstand in Bezug auf die zuletzt geltend gemachte Anspruchsfassung gegeben – die Frage nach der Reichweite eines Vorbenutzungsrechts bei Modifikationen stelle sich daher nicht.
Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und zur erneuten Entscheidung und Verhandlung in der Sache an das OLG Düsseldorf zurückverwiesen.
II. Begründung
Der Vorbenutzer sei grundsätzlich auf die Nutzung desjenigen Besitzstands beschränkt, für den vor dem Anmelde- oder Prioritätstag sämtliche Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands erfüllt waren. Weiterentwicklungen über diesen Besitzstand hinaus sind ihm verwehrt, wenn sie in den Gegenstand der geschützten Erfindung eingriffen. Ob eine andere Benutzungsform vorliege, sei am Maßstab der unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen ausgelegten Schutzansprüche zu beurteilen.
Der Vorbenutzer überschreite insbesondere die Grenze seines Vorbenutzungsrechts, wenn mit der Modifikation erstmals ein zusätzlicher Vorteil erzielt werde. Anders verhalte es sich dagegen, wenn das Patent bzw. Gebrauchsmuster eine Abweichung von der Vorbenutzung offenbare, die der Fachmann zum Anmelde- oder Prioritätszeitpunkt ohne Weiteres in Betracht gezogen hätte.
Diese Prüfung habe das Berufungsgericht jedoch nicht vorgenommen, sondern sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass sich die Frage der Reichweite aufgrund einer Modifikation hier grundsätzlich nicht stelle.
Die Modifikation eines vorbenutzten Gegenstands, der alle Merkmale eines unabhängigen Anspruchs des Klagegebrauchsmusters verwirkliche, könne allerdings auch dann von einem Vorbenutzungsrecht gedeckt sein, wenn der vorbenutzte Gegenstand weitere Merkmale nicht aufgewiesen habe, die nach dem Klageantrag zwingend seien. Das gelte unabhängig davon, ob lediglich die Verletzungsklage auf eine in der genannten Weise beschränkte Fassung eines unabhängigen Schutzanspruchs gestützt werde oder ob das Gebrauchsmuster in einem Löschungsverfahren entsprechend beschränkt worden sei.
III. Fazit
Verwirklicht eine Modifikation erstmals zusätzliche Merkmale eines Unteranspruchs, sind die Grenzen des Vorbenutzungsrechts nicht per se überschritten. Im Einzelfall kann dies zwar dafürsprechen, dass ein zusätzlicher Vorteil erreicht wird, der nicht mehr von dem Vorbenutzungsrecht gedeckt ist. Das ist allerdings anhand des Patents bzw. Gebrauchsmusters in seiner erteilten Fassung zu prüfen.

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Aluminiumdielen – OLG Karlsruhe Beschluss 18.07.2023 – 6 W 30/23
In seinem Beschluss vom 18.07.2023 hat das OLG Karlsruhe sich sowohl mit der Vollstreckung nach § 888 ZPO als auch mit der Frage beschäftigt, ob ein schutzrechtsverletzender Gegenstand noch innerhalb der Vertriebswege ist, wenn dieser sich bei einem Gewerbetreibenden befindet, der kein Händler ist.
Der Sachverhalt
Beim vorliegenden Fall handelte es sich um eine Beschwerde gegen ein Urteil des LG Mannheim (Beschluss vom 19. Mai 2023, Az. 2 O 86/21 ZV II). In diesem entschied das LG Mannheim, dass die Schuldnerinnen die in Frage stehenden „Outdoor-Aluminiumdielen“ „zurückzurufen oder endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen“ haben. Die Schuldnerinnen wehren sich dagegen mit dem Argument, dass sich keine Produkte mehr in den Vertriebswegen befänden und daher ein Rückruf unmöglich sei. Dies begründen Sie damit, dass alle in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse bereits verbaut wurden und damit in das Eigentum der Endabnehmer übergegangen seien.
Der Beschluss
In dem Beschluss stellt das LG Karlsruhe neben der Zulässigkeit des Antrages zunächst fest, dass eine Verurteilung zu Rückruf oder Entfernen nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Dies begründet die Kammer damit, dass der Wortlaut des Urteils „oder“ den Schuldnerinnen die Möglichkeit lässt, zwischen den beiden Optionen zu wählen. Da zumindest der Rückruf eine nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO ist, ist eine Vollstreckung – unabhängig von der Vertretbarkeit der weiteren Option – nach § 888 ZPO zu vollziehen. Ob die wahlweise angeordnete Entfernung aus dem Vertriebswegen auch eine nicht vertretbare Handlung darstellt oder aus § 887ZPO als nicht vertretbare Handlung zu vollziehen ist, ist laut der Kammer irrelevant.
In Bezug auf die materiellrechtlichen Fragen der Entscheidung ist vorliegend § 140a Abs. 3 S. 1 PatG zu beachten. Gem. § 140a Abs. 3 S. 1 PatG können Verletzte, deren Erfindungen entgegen den §§ 9 bis 13 PatG benutzt werden, von den Verletzenden den Rückruf der Erzeugnisse oder das endgültige Entfernen aus den Vertriebswegen verlangen.
Bezüglich der Frage, wann ein verletzter Gegenstand sich noch in den Vertriebswegen befindet, stellt das OLG Karlsruhe in der vorliegenden Entscheidung auf den Begriff des privaten Endverbrauchers ab. Die Kammer stellt klar, dass ein verletzender Gegenstand auch dann noch „in den Vertriebswegen“ ist, wenn es sich bei dem Abnehmer um einen Gewerbetreibenden handelt, der kein Händler ist. Diese Entscheidung begründet das OLG Karlsruhe damit, dass es denkbar sei, dass eine Sache später im Rahmen einer gewerblichen Handlung veräußert wird und dadurch eine patentverletzende Handlung ausgeübt wird. Im vorliegenden Fall argumentiert die Kammer, dass die Immobilie, in welche der „Outdoor-Aluminiumboden“ verbaut wurde, im weiteren Verlauf von dem Gewerbetreibenden als gewerbliche Handlung veräußert werden könnte. Durch diese Umstände kommt das Gericht zu dem Schluss, dass eine Weiterveräußerung der Dielen nicht hinreichend ausgeschlossen ist. Auch der Einwand der Schuldnerinnen, dass die Produkte bereits bei den Abnehmern verbaut sind, rechtfertigte aus Sicht des Gerichts keine andere Entscheidung. Dies begründete das Gericht damit, dass der Rückruf gem. § 140a Abs. 3 S. 1 PatG lediglich eine dem Schuldner obliegende Aufforderung an den Abnehmer ist, die gelieferten Erzeugnisse zurückzugeben, es hat keine Auswirkungen für den Schuldner, ob die Abnehmer der Aufforderung tatsächlich Folge leisten oder nicht. Der Schuldner ist seiner Rechtspflicht nachgekommen, wenn er die Aufforderung ausgesprochen hat. Dem Rückruf steht nicht entgegen, dass ein Ausbau mit einem einzelnen Vertrieb der Dielen sehr unwahrscheinlich ist.
In seiner früheren Rechtsprechung hatte das LG Mannheim genau dies anders gesehen. Es stellte in der Entscheidung vom 10.12.2013, Az. 2 O 180/12 fest, dass die Endabnehmer/Endnutzer nicht zum Vertriebsweg gehören. Dabei sollte es gleich sein, ob diese den Gegenstand gewerblich nutzen oder nicht. Gegenstände, die sich bei privaten oder gewerblichen Abnehmern befinden, sind nicht mehr innerhalb der Vertriebswege, wenn die Abnehmer als „Endabnehmer“ einzustufen sind.
Das OLG Karlsruhe hat seine Entscheidung unter anderem auf frühere Entscheidungen des OLG Düsseldorfs gestützt. Die Entscheidungen des OLG Düsseldorfs kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Gegenstände grundsätzlich noch in dem Vertriebsweg sind, wenn sie sich bei einem gewerblichen Abnehmer befinden. Auch hier stellt das Gericht fest, dass es keinen Unterschied macht, ob der gewerbliche Abnehmer als Endabnehmer einzustufen ist oder nicht.
Im Urteil vom 15.07.2021 – 15 U 42/20 begründete das OLG Düsseldorf seine Entscheidung damit, dass ein gewerblicher Endverbraucher ein Patent grundsätzlich verletzt, wenn er das patentverletzende Erzeugnis gewerblich nutzt. In diesem Fall besitzt er das patentverletzende Erzeugnis zum Zwecke der Nutzung gem. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG.
Auch in dem Urteil vom 13.08.2020 – 2 U 10/19 kam das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass ein Produkt auch dann noch „in den Vertriebswegen“ ist, wenn es sich bei einem gewerblichen Endabnehmer befindet. In dem vorliegenden Fall stritten die Parteien sich um Zündkerzen in einem Gasmotor und auch hier argumentierte das Gericht, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass der mit den Zündkerzen ausgerüstete Motor gebraucht verkauft wird und die patentverletzenden Zündkerzen damit einhergehend auch gewerblich genutzt werden. Zudem stellt das OLG Düsseldorf fest, dass ein Produkt nur dann nicht „in den Vertriebswegen“ ist, wenn ausgeschlossen werden kann, dass es zu einem späteren Zeitpunkt weitervertrieben wird.
Die genannten Argumente des OLG Düsseldorf nimmt das OLG Karlsruhe auf und wendet diese auf den eigenen Fall an.
Mit dem vorliegenden Urteil schließt sich das OLG Karlsruhe somit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des OLG Düsseldorfs an.